Matthias Jundt

Redaktionsvolontär der Mittelbadischen Presse, Offenburg

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Reportage

"Das ist wie Probesterben": Zu Gast im Besucherbergwerk »Grube Wenzel« in Oberwolfach

Plötzlich gehen die Lichter der Helme aus. Keiner sagt etwas. Nichts ist mehr zu hören. Kein bellender Hund, keine heulende Sirene und auch kein merkwürdiges Piepsen irgendwo im Gehörgang. Hier, 22 Lachta, also 44 Meter unter der Erde, findet man sie: die vollkommene Stille. Und die absolute Dunkelheit. Schwarz und nichts als Schwarz. Umso länger die Stille und die Dunkelheit andauern, desto stärker fängt das Herz an zu Pochen. Ein Druck legt sich auf die Brust und der Kopf, der das komplette Nichts nicht gewohnt ist, beginnt zu rattern. Was, wenn die Lichter an den Helmen nicht mehr angehen? Wie soll ich hier wieder rauskommen? Bekomme ich genügend Luft?

Herbert Mattes stellt sich diese Fragen nicht. Der Hobby-Bergmann ist jeden Samstag in der Grube Wenzel in Oberwolfach. Gemeinsam mit seinen Kollegen baut er das Besucherbwergwerk bereits seit 19 Jahren aus – ehrenamtlich.  »Es gab immer wieder die Frage von verschiedenen Leuten, ob man mal in das noch aktive Bergwerk der Grube Clara gehen könne«, erzählt Mattes. 

Da das aber zu gefährlich sei, suchte man nach einem geeigneten Bergwerk speziell für Besucher und fand die Grube Wenzel. Heute bieten er und seine Kollegen zwei Führungen an – eine leichtere für Familien und eine schwerere, die nur bei voller Gesundheit absolviert werden darf. Das Bergamt kommt einmal im Jahr, um die Grube auf ihre Sicherheit zu überprüfen. Die Gruppe, die Ende August in Mattes’ Welt eintaucht, entscheidet sich für die dreistündige, schwerere Tour.

Bergwerkshumor!

Die beginnt an einem frühen Sonntagmorgen zunächst mit der Ankleide: Ein grüner Helm, eine an diesem befestigte Grubenlampe, eine knallgelbe regenabweisende Jacke und matschgrüne Gummistiefel, in denen schon der ein oder andere Bergwerksbesucherfuß seine Zeit verbrachte. Einen kleinen Tipp gibt es auch noch mit auf den Weg: »Wenn man stecken bleibt, einfach wieder rückwärts rauslaufen« – Bergwerkshumor!

Der Weg durch die Grube ist kurvig. »Er führt immer an der Erzlinie entlang«, erklärt Mattes. Und wenn die eben abbog, richteten die Bergwerksleute ihr Graben danach aus. Bis heute konnten sie 68 verschiedene Mineraliensorten, wie  Dyskrasit oder Fahlerz, in der Grube Wenzel finden. Wenn heute größere Mengen an Erzen gefunden werden sollten, müssen die an das Haus Fürstenberg abgegeben werden. Das besitzt die Grube Wenzel und hat sie bis 2027 lediglich verpachtet.

Zeichen an der Wand

Die Erzlinie ist anthrazitfarben und hebt sich gut vom grauen Gestein des Bergwerks ab. Um sich besser orientieren zu können, gibt es immer wieder kleine Zeichen an der Wand. »Ich dachte beim ersten Mal, dass hier jemand gestorben war«, sagt Mattes. Tatsächlich aber zeigt ein Kreuz in der Wand eines Bergwerks an, dass der Weg in alle Richtungen weitergeht. Ein Kreuz, bei dem etwa der linke Strang fehlt, gibt an, dass es nur nach vorne, nach hinten und nach rechts weitergeht.

Schritt für Schritt kämpft sich die vierköpfige Besuchergruppe tiefer hinein in das Bergwerk. Ständig erklingt ein dumpfes Geräusch – es ist der Plastikhelm der gegen das Gestein donnert, wenn der Weg schmaler wird. Und dann ist da noch dieses permanente Plätschern. Überall ist es nass und feucht. Matschpfützen sammeln sich am Boden, von der Decke tröpfelt es. 

An einer Stelle, an der die Pumpen angebracht sind, die das Betreten des tiefsten Punktes überhaupt möglich machen, sind Holzbalken. Die sind, obwohl sie schon seit Jahrhunderten da unten sind, in einem optimalen Zustand. Mattes erklärt: »Wenn Holz ständig bewässert wird, wird es nie schlecht.« Nach dem Orkan »Lothar« habe man auf diese Technik zurückgegriffen, um die herausgerissenen Bäume haltbar zu machen.

»Probesterben«

Nach etwa drei Stunden steigt die Besuchergruppe mit vorsichtigen Schritten vier riesige Leitern herab. Bis sie ganz unten angekommen sind. Da, wo kein Licht und kein Geräusch den Weg hin finden, ist Mattes am liebsten. In den Pausen setzt er sich häufig hin, macht die Lampe aus und genießt das Nichts: »Das ist wie Probesterben«, scherzt der Bergwerksführer in die Stille – Bergwerkshumor!

Einige Minuten später geht es zurück Richtung Ausgang. Die Temperatur, die von zehn Grad, die sommers wie winters im Bergwerk vorherrschen, auf 20, die draußen sind, wechselt, kündigt die Freiheit an. Und aus den Teilzeitkumpeln werden wieder gewöhnliche Menschen.