1 Abo und 0 Abonnenten
Artikel

Alte Smartphones - so gut wie neu | DW | 05.01.2023

Laptops, Notebooks, PCs und Monitore bekannter Marken, das eine oder andere Smartphone: schön glänzend und funktionsfähig. Der Laden von AfB (Arbeit für Menschen mit Behinderung) in den Kölner Arcaden verkauft allerdings keine Neuware und scheut dabei nicht die direkte Nachbarschaft zum Mediamarkt und den Shops der Telekommunikationsanbieter.

AfB sammelt ausrangierte Firmen-Elektronik ein, prüft und reinigt sie, löscht vorhandene Daten, repariert und rüstet auf, um die Geräte wieder in Umlauf zu bringen. Sie werden an Bildungseinrichtungen und über eigene Läden und den Online-Shop verkauft. Ein Teil wird auch an gemeinnützige Organisationen gespendet.

AfB ist ein zertifizierter Refurbisher, also einer, der gebrauchte Geräte professionell wiederaufbereitet. Das Unternehmen existiert seit 18 Jahren und hat ca. 650 Mitarbeitende, gut die Hälfte von ihnen mit Behinderung.

"Gebrauchte Technik gute Alternative zum Neukauf"

Laut AfB gelingt es, mindestens 68 Prozent der ausgemusterten Geräte zu vermarkten. Das Geschäft habe sich in Deutschland sehr positiv entwickelt, sagt Daniel Büchle, Geschäftsführer des Sozialunternehmens, im Interview mit "hitec". Erstens sei der Nachhaltigkeitsgedanke längst im Mainstream angekommen. Zweitens gebe es bekanntlich Lieferketten-Probleme bei Neugeräten, die sich durch aufbereitete IT umgehen ließen. Drittens habe die Pandemie die Nachfrage nach günstiger Hardware für Homeoffice und Homeschooling befeuert. In diesem Jahr kam die Inflation dazu: Refurbished sei, zumal mit Service und Garantie, eine gute Alternative zum Neukauf.

Wiederaufbereitung und Recycling ergänzen sich

"Für viele Kunden sind neue Geräte nicht einfach nur viel zu überdimensioniert - sie sind auch nicht bereit, für dieses Zuviel an Leistung, die sie gar nicht brauchen, auch zu bezahlen", meint Büchle. Die eingesammelten Geräte sind nach AfB-Angaben drei bis sechs Jahre alt und können je nach Art und Anwendung noch mehrere Jahre genutzt werden. Was nicht marktfähig sei, werde zerlegt, so viel Brauchbares wie möglich entnommen und der Rest in zertifizierten Scheideanstalten recycelt.

Refurbisher wie Swappie und Clevertronic kaufen Gebrauchtes von Privatpersonen auf, um es nach dem Generalüberholen wieder auf den Markt zu bringen. Die finnische Online-Plattform Swappie konzentriert sich ausschließlich auf iPhones, während Clevertronic aus Münster auch Smartphones, Tablets, Spielkonsolen und Smartwatches anderer Anbieter offeriert. Weil Elektronik in immer kürzeren Abständen durch neue ersetzt wird, gibt es zahlreiche Gebrauchte in gutem Zustand", heißt es bei Clevertronic.

Zweites Leben nur für hochpreisige Modelle

Die Refurbisher nehmen sich allerdings nur hochpreisiger, gut erhaltener Modelle besonders beliebter Marken wie Samsung an, für andere lohnt sich die aufwändige Wiederaufbereitung offensichtlich nicht. Nicht genug Rechenleistung für moderne Apps, keine Sicherheitsupdates, fehlende Ersatzteile, ein zerkratztes Display, ein schlapper Akku und ein Wiederverkaufswert, der die Prüfung und die Logistik nicht deckt - ein einzelner dieser Faktoren bedeute, so Clevertronic, das endgültige Aus.

Den Trend zur Refurbished-Hardware beobachtet auch Nejc Jakopin, Telekommunikationsexperte bei der Technologieberatung Arthur D. Little. Seit Jahren habe es keine bahnbrechenden Innovationen in der Branche gegeben: "Wenn die Geräte sich ähnlich sind, können generalüberholte durchaus mit den neueren mithalten". Auch dass Netzbetreiber zunehmend den Firmenkunden Leasingverträge anbieten, trage zum Entstehen eines Zweitmarkts bei: "Für Leasing-Geräte gibt es professionelle Kreisläufe."

Den Wert alter Smartphones mit KI abschätzen

Bei einem normal gekauften Handy müsste der Kunde selbst aktiv werden. "Manche haben das Gefühl, zu wenig für ihr Gerät zu bekommen, während jemand anders Geld damit verdient." An der stark unterschiedlichen Einschätzung des Restwerts seien früher viele Deals gescheitert. Inzwischen aber setzten die Wiederverwertungsplattformen KI-Technologien ein, um den Zustand der Geräte im Voraus realistisch zu beurteilen.

"Das Wachstum des Marktsegments ist in Europa und auch in Deutschland relativ hoch. Die Kunden können für ihre alten Geräte gute Preise erzielen". Das wird Auswirkungen auch auf die Neuware haben, meint Jakopin: "Im Shop kann ich mir ein besseres Gerät leisten: Die Wertbeständigkeit ist ein Verkaufsargument."

Es würden auch immer mehr spezialisierte Dienstleister und Händler entstehen, und die Elektronikhersteller könnten durch die Zweitverwertung ganz andere Zielgruppen als beim ersten Mal erreichen. Dass nur die gängigeren und teureren Modelle in den Genuss eines zweiten Lebens kommen, bestätigt der Experte: "Man braucht erst einmal eine starke Position im Neugerätemarkt."

Gute Chancen für Reparatur von Business-Hardware

Secondhand-Geräte kauft AfB im Rahmen einer IT-Partnerschaft grundsätzlich nur Unternehmen und Behörden ab, sagt Pressesprecher Oliver Koch. "Diese setzen in der Regel Business-Hardware ein, die höherwertig verarbeitet und ausgestattet ist und sich dank ihrer modularen Bauweise einfach reparieren und umrüsten lässt. In diesen Geräteklassen sind beispielsweise einzelne Komponenten besser erreichbar und verschraubt statt verklebt. Anbieter von Business-Hardware halten auch Ersatzteile auf Vorrat." Die wesentlich günstigeren Consumer-Geräte seien im Unterschied dazu nicht auf eine lange Nutzbarkeit ausgelegt und bei ihrer Reparatur oder Umrüstung riskiere man Schäden an den Komponenten.

Die neuen Ökodesign-Anforderungen an Smartphones und Tablets in der EU sollen hier bald Abhilfe schaffen. So sollen Hersteller verpflichtet werden, mindestens sieben Jahre lang Ersatzteile sowie technische Informationen und mindestens fünf Jahre lang Software-Updates nach dem Ausscheiden eines Produkts vom Markt zur Verfügung zu stellen. Das geht dem "Runden Tisch Reparatur" und seinen europäischen Partnern jedoch nicht weit genug, weil da noch nichts zur Erschwinglichkeit der Ersatzteile und dem Zugang unabhängiger Werkstätten zu Komponenten und Werkzeug steht.

Oliver Koch von AfB wünscht sich auch mehr nachhaltiges Bewusstsein bei den Entscheidern in Unternehmen - sowohl beim Umgang mit ihrer ausgemusterten Hardware als auch bei Kauf von IT. "Auch die Bestimmungen der öffentlichen Hand könnten aus unserer Sicht für refurbished IT offener sein. Häufig nämlich sind es die Reglementierungen, die den Verkauf oder Kauf unterbinden. Dabei bieten wir einen zertifizierten Datenlöschprozess."

Zum Original