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Laserschneider in der Konditorei: Wie passt das zusammen? | DW | 24.02.2020

Doris Warnecke und ihre "Schokolativ"-Tafeln

Doris und Jean Warnecke führen die traditionsreiche Konditorei Café Baumann seit 25 Jahren. Die Koblenzer setzen auf gute Zutaten und traditionelle Backkunst - und auf digitale Technologien. Schon zur Bundesgartenschau vor einigen Jahren kreierten sie - quasi als neue Geschäftsidee - die Sehenswürdigkeiten der Stadt als Süßwaren aus Kakaomasse. "Die Mittelrhein-Schokolade ist bei Touristen sehr beliebt", erzählt Doris Warnecke.

Da ihr ein entsprechendes 3D-Druck-Verfahren aber als "zu langsam" erschien, entschied sich die Konditorei, ihre Vorformen für die Schokomasse mit einem computergesteuerten Laser schneiden und gravieren zu lassen. Eine Service-Tochter der Handwerkskammer Koblenz fertigte die Formen im Auftrag. Das ging schnell und kostet nur wenige Euro pro Stück.

Zweites Standbein

So konnten die Warneckes sich ein zweites Standbein aufbauen. "Schokolativ" - die Schokolade für Firmenkunden: Handwerksbetriebe, die mittelständische Industrie, aber auch die Stadtverwaltung, eine große Automarke und eine Gewerkschaft bestellen bei den Koblenzer Chocolatiers Kleinserien mit dem Firmenlogo oder Werbebotschaften.

Schokoladenproduktion im Café Baumann mit Hilfe digital erstellter Formen

Die Kunden schicken die entsprechende Datei online, der Dienstleister speist sie in das Gerät ein. "Wenn man heute eine Idee hat, ist morgen schon die Form fertig", sagt Warnecke: "Wir Handwerker müssen kreativer und fixer als die Industrie sein, aber dennoch günstig."

Neue Wettbewerber können auch maßgeschneidert produzieren

Zumal die Industrie neben Großserien dank Digitalisierung bereits in der Lage ist, mit Sonderanfertigungen auch ganz spezielle Sonderwünsche zu erfüllen. Damit wildert sie in der Domäne kleiner Handwerksbetriebe. Der Wettbewerb, ein maßgeschneidertes Produkt zu niedrigen Kosten zu bieten, verschärft sich.

"Wir haben 130 Gewerke. Manche sind sehr stark im Wandel, manche nicht", sagt Christoph Krause. Er leitet das Kompetenzzentrum Digitales Handwerk bei der Handwerkskammer Koblenz. Als eines der fünf "Schaufenster" bundesweit hilft das Kompetenzzentrum den kleineren Firmen, ihre Arbeitsabläufe, Geschäftsmodelle oder Dienstleistungen zu digitalisieren.

Neue Technologien testen

So können Meister und Gesellen in einer speziellen Werkstatt testen, welche Hard- und Software in ihrem individuellen Fall nützlich ist. Ein Schumacher schmückt beispielsweise die Ledersohle eines anspruchsvollen Kunden mit einem eingelaserten Koi-Karpfen. Schreinern geht ein kleiner Leichtbauroboter zur Hand, Tischler fertigen komplizierte Intarsienmuster mit dem Laserschneider. Restauratoren scannen zunächst die Heiligenfigur, um das fehlende Stück genau anzupassen.

Krause führt den Besuchern 3D-Drucker, CNC-Fräsen, kollaborative Roboter wie auch einen Wasserstrahl- und zwei verschiedene Laserschneider für praktisch jedes Material vor. Die Werkstatt sei ein "großer Spielplatz für Kreative", gleichzeitig aber auch eine vollwertige Produktionsstätte. Krause ist überzeugt, dass in Zukunft nicht jeder Betrieb seine eigene Maschine kaufen werde, sondern sich viele Handwerker die Technik nach Bedarf teilten.

Schokolade mit Firmenlogo

Eine Krise ist ein guter Zeitpunkt für Digitalisierung

Doris Warnecke hat allerdings Pläne, sich 2020 einige computergesteuerte Geräte zuzulegen: "Wir haben einfach nicht genug Hände". Fachkräfte seien nicht leicht zu finden, obwohl das digitalisierte Café überregional bekannt sei. Außerdem steige bald der Sohn ins Geschäft ein und das junge Team wolle bei der Herstellung und Verpackung Einiges ändern. "Wir sind durch und durch Handwerk, aber bereit für Neues."

Demnächst wird es im Internet sogar einen "Hochzeitstorten-Konfigurator" geben. Man wählt im Online-Shop die Höhe der Torte, den Durchmesser, die Füllung, die Verzierung, den Preis, man sucht vegane Alternativen oder schließt Allergene aus. Die Chefin glaubt, die Hälfte der Kunden würde diesen Service annehmen. "Die anderen wollen weiterhin hierher kommen, sich beraten lassen und dabei Sekt trinken. Beides ist schön."

Ein Generationenwechsel oder eine Gründung seien gute Zeitpunkte für die Digitalisierung eines Betriebes, meint Rolf Müller, Beauftragter für Innovation und Technologie (BIT) bei der Handwerkskammer. Auch eine Krise könne den Wandel einleiten: ob finanzielle Probleme, Produktfehler, Fachkräftemangel oder ein Hackerangriff. Müller warnt jedoch davor, die Digitalisierung auf die Hard- und Softwarefrage zu reduzieren: "Es ist ein Thema der Unternehmensstrategie. Man muss sich konkrete Ziele überlegen und daraus Maßnahmen ableiten, die Mitarbeiter qualifizieren und sie schon bei der Planung mitnehmen, weil eine Veränderung immer Widerstände hervorruft. All das gehört dazu." Auch die Produktions- und Verwaltungsabläufe müssten auf den Prüfstand, heißt es beim BIT: "Aus einem schlechten analogen Prozess wird kein guter digitaler."

Mehr Zeit bleibt für das Wesentliche

Viele kleinere Firmen scheuen sich, die Digitalisierung zusätzlich zur täglichen Arbeit zu schultern. Im Nachhinein jedoch könnten die modernen Helferlein den Betrieben das Leben erleichtern, indem sie etwa die Zettelwirtschaft im Büro beseitigen. Mit einem Bautagebuch auf dem Tablet statt auf Papier ließe sich - nur ein Beispiel - schnell erfassen, welche Maschinen im Einsatz waren, welche Aufgaben erledigt wurden und welche noch wegen des schlechten Wetters warten müssten. Wenn diese Daten zentral auf dem Server gespeichert seien, hätten sowohl die Bauvorbereitung als auch die Baustelle Zugriff drauf: Man könne besser den Überblick behalten.

Sich mit den neuen Technologien vertraut zu machen, unterstützen die BITs, von denen es bundesweit rund 100 gibt, wie auch die Kompetenzzentren. Bei Bedarf ziehen sie externe Experten hinzu, vermitteln die Handwerker etwa an die Hochschulen. "Für uns war es kein großer Aufwand. Es hat Spaß gemacht, zu testen, was ein Konditor mit den neuen Methoden machen kann", sagt Doris Warnecke. "Es gab zwar manche Flops, aber das war nicht schlimm." Und das Schönste sei, dank der Digitalisierung bleibe mehr Zeit übrig für das eigentliche Handwerk: die Arbeit an den Torten und Schokoladen.

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