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Coronakrise trifft Versicherer nur bedingt - Die Wirtschaftszeitung

Von Mathias von Hofen
FRANKFURT AM MAIN/MÜNCHEN/KÖLN Die Reaktionen auf Corona in der Versicherungswirtschaft wirkten, zumindest in den ersten Wochen der Krise, widersprüchlich und unübersichtlich. So erwartet der Gründer und Geschäftsführer der Deutschen Familien Versicherung, Stefan Knoll, eher wenige Auswirkungen auf das Geschäft. Beim Neugeschäft gebe es bisher keinen Rückgang: „Grund hierfür ist, dass unser Vertrieb zu 80 Prozent onlinebasiert stattfindet", erklärte Knoll auf der Bilanzpressekonferenz Ende März. Allerdings könne sich die Situation ändern: „Dauert die Krise an, kann keiner sagen, ob die Menschen nicht andere Prioritäten haben, als Versicherungen zu kaufen."

Einfluss auf die Kapitalanlagen

Manche Versicherungsexperten geben sich weniger gelassen als Knoll. So warnte Lars Heermann, Bereichsleiter Analyse bei der Kölner Ratingagentur Assekurata: „Aus Sorge um Ansteckung werden die meisten Menschen derzeit Kontakte möglichst meiden, was insbesondere die Arbeit der Versicherungsvermittler deutlich erschweren dürfte." Da die Vermittler und Makler für die meisten Versicherungen weiter der mit Abstand wichtigste Vertriebsweg sind, dürfte Corona vor allem auf das Neugeschäft der Gesellschaften großen Einfluss haben. Oliver Bäte, Vorstandsvorsitzender der Allianz SE, verglich Corona sogar mit der Explosion eines Atomkraftwerks. Laut Bäte kann die Allianz in diesem Jahr keinen neuen Rekordgewinn erwarten: „Dieses Jahr wird nicht zum Lachen", prognostizierte er.

Besonders massiv leiden unter Corona die Kapitalanlagen der Versicherungen. Einige Versicherer haben ihre Aktienquoten schon deutlich heruntergefahren. Beispielsweise senkte die Alte Leipziger ihre Quote von 4,5 Prozent zu Beginn des Jahres auf aktuell nur noch 0,4 Prozent. Problematisch wirken sich auch die steigenden Risikoprämien bei Staatsanleihen aus. Dies gilt vor allem für Staatsanleihen der beiden Problemländer Italien und Spanien, die es in den vergangenen Jahren nicht schafften, solide Staatsfinanzen zu realisieren, und deren Krise sich durch Corona verschärft hat.

Torsten Oletzky, Professor für Strategie im Versicherungswesen an der TH Köln, sieht für die Versicherer noch eine andere Herausforderung. Viele Unternehmen könnten nicht ohne Weiteres auf Arbeit im Homeoffice umstellen. Seiner Ansicht nach sind die Arbeitsprozesse meist nicht geeignet, um den Service aus dem Homeoffice aufrechtzuerhalten. Hier liege ein Versäumnis vieler Versicherungsmanager. Oft würde mit veralteten IT-Systemen gearbeitet, so Oletzky: „Die Krise sollte Ansporn sein, unser Arbeiten zu modernisieren." Im Vorteil sind hier die sogenannten Insurtechs. Das sind Start-ups, deren Geschäftsprozesse durchweg internetbasiert sind und die ohne klassischen Vertrieb auskommen und allenfalls mit Versicherungsmaklern zusammenarbeiten. Für sie ist die Umstellung auf das reine Arbeiten vom Homeoffice aus meist unproblematisch. Die Einschränkungen, denen der klassische Vertrieb in Zeiten von Corona unterliegt, betreffen sie ebenfalls nicht.


Zahlen die Versicherungen?

Die zusätzlichen Kosten durch Schadensersatzleistungen dürften sich bei den meisten Versicherungsgesellschaften in Grenzen halten. In vielen Verträgen sind Leistungen aufgrund einer Pandemie nicht vorgesehen. Beispielsweise enthalten viele Reiserücktrittsversicherungen Klauseln, die Krankheiten, die als Pandemie eingestuft werden, vom Versicherungsschutz ausschließen. Am 11. März 2020 wurde Corona von der Weltgesundheitsorganisation als Pandemie eingestuft. Daher ist bei Versicherungen, die eine solche Klausel enthalten, kein versicherter Rücktrittsgrund mehr gegeben. Eher kommen höhere Kosten auf die private Krankenversicherung zu, die die Kosten der Behandlungen von Coronakranken voll übernehmen muss. Wenn es dagegen aufgrund des Coronavirus zu einer Betriebsunterbrechung kommt, besteht über die klassische Betriebsunterbrechungsversicherung oft kein Versicherungsschutz. Grund dafür ist, dass diese als auslösendes Ereignis einen Sachschaden an einer dem Betrieb dienenden Sache haben muss.

Ebenso besteht kein Versicherungsschutz, wenn es aufgrund des Coronavirus zu Lieferengpässen oder Ausfällen von Lieferketten kommt. Allerdings fehlt bei vielen Versicherern in ihren Bedingungen eine klare Definition, sodass viele Kunden davon ausgingen, dass eine Pandemie doch versichert sei. Dr. Hans-Georg Jenssen, Vorstandschef des Bundesverbands Deutscher Versicherungsmakler, kritisierte in einem Interview: „Im Gesetz stand das Coronavirus vor dem 1. Februar noch nicht. Daher wollen nach unserer Beobachtung viele Gesellschaften keine Deckung aus der Betriebsschließungsversicherung gewähren. Ihr Hauptargument: Da das Coronavirus nicht in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen aufgelistet war, kann es auch nicht versichert gewesen sein." Jenssen fordert deshalb von den Versicherern die Einrichtung eines Solidaritätsfonds mit Leistungen für die Kunden.


Einigung in Bayern

In Bayern kam es Anfang April allerdings zu einer Einigung zwischen dem Wirtschaftsministerium, Branchenverbänden und Versicherungsunternehmen. Die beteiligten Versicherer bieten Gaststätten und Hotels an, zwischen 10 und 15 Prozent der bei Betriebsschließungen jeweils vereinbarten Tagessätze zu zahlen.






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