Mathias Liebing

Sportjournalist und Blogbetreiber, Leipzig

7 Abos und 3 Abonnenten
Artikel

Bibiana Steinhaus: Sie will doch nur pfeifen | Sport | DW | 10.09.2017

Wäre es nach ihr gegangen, hätte sich Bibiana Steinhaus den Spielball geschnappt, um damit geradewegs in der Schiedsrichterkabine zu verschwinden. Stattdessen stand der 38-Jährigen am Sonntagnachmittag nach dem 1:1 in der Bundesliga-Partie im Berliner Olympiastadion zwischen Hertha BSC und Werder Bremen noch ein mediales Nachspiel bevor. Gut 40 Journalisten waren da und wollten wissen, wie es denn nun für sie gewesen sei, dieses erste von einer Frau geleitete Bundesligaspiel?

Sogar DFB-Präsident Reinhard Grindel war in den Presseraum gekommen. Dort fand der Verbandschef nur lobende Worte zu Bibiana Steinhaus und ihrer Spielleitung: "Sie hat in allen entscheidenden Spielsituationen die richtige Entscheidung getroffen. Sie hat eine gute Ansprache an die Spieler, sie war jederzeit präsent. Eine erstklassige Leistung, obwohl sie unter einem enormen Druck stand."

Lange Leine für die Spieler

Diesen Rummel um ihre Person mag die Polizei-Hauptkommissarin aus Langenhagen bei Hannover gar nicht. Steinhaus definiert sich viel lieber über Leistung. Und diese lieferte sie an diesem so viel beachteten Sonntagnachmittag: Sie zeigte dem Herthaner Per Ciljan Skjelbred zu Recht eine Gelbe Karte und gab den Akteuren darüber hinaus eine relativ lange Leine. Sie erlaubte harte Zweikämpfe und ließ Spieler wie den Bremer Florian Kainz schlichtweg links liegen, als er wiederholt mit reichlich Theatralik ihr Eingreifen forderte. Am Ende freute sie sich, dass sie nach dem Spielende nur wegen der besonderen Umstände im Rampenlicht stand. "So haben wir Schiedsrichter das am liebsten. Ich freue mich nun, dass ab Montag der Alltag beginnt."

Dass dieses Bundesligaspiel kein normales werden würde, war schon zu Beginn der Woche klar. Die Bild-Zeitung hatte geleaked, dass die Steinhaus-Premiere im Berliner Olympiastadion stattfinden würde. Pikant: Seit Jahren gibt der Deutsche Fußball-Bund seine Schiedsrichteransetzungen erst zwei Tage vor dem jeweiligen Spiel öffentlich bekannt. Dies soll möglichen Wettmanipulationen vorbeugen und im Einzelfall unnötigen Druck auf das Gespann vermeiden. Dies ging kräftig in die Hose, perlte aber an Bibiana Steinhaus ab. "Ich habe einfach keine Zeitung mehr gelesen", sagte sie bei der Pressekonferenz.

Von der Nebendarstellerin zur Statistin

Lediglich zwei kritische Situationen Mitte der zweiten Halbzeit im Strafraum der Bremer, bei denen sie beide Male nicht auf Elfmeter für das Heimteam entschied, erzürnte zumindest die Fans in der Ostkurve. Pal Dardai, Berlins Trainer, wiegelte aber ab und sagte: "Nein, nein, das waren keine Elfmeter. Ich bin sehr zufrieden mit ihrer Leistung und das sage ich nicht, weil sie eine Frau ist."

Bibiana Steinhaus: Während die Schiedsrichterin den Videoassistenten befragt will Vedad Ibisevic lieber diskutieren

Ins Auge fiel am Sonntag ihre herausragende Körpersprache, bemerkt Wirtschafts- und Sportpsychologin Wencke Schwarz. "Bibiana Steinhaus ist freundlich dominant. Die Spieler spüren genau, woran sie bei ihr sind", sagt die Führungskräftetrainerin, die sich vor allem in die 73. Minute verliebt hat. Noch bevor Vedad Ibisivevic in einer der beiden strittigen Situationen einen Elfmeter fordern konnte, griff Steinhaus zum Ohr und signalisierte damit ihre Kontaktaufnahme zum Videoschiedsrichter Harm Osmers in Köln. Den Rest erledigte sie dann mit wenigen Worten und einer zweifelsfreien Ausstrahlung. Nach dem Spiel lobte der Berliner Stürmer ihre Schiedsrichterleistung dann ausdrücklich und entschuldigte sein verbales Nachkarten: "Da wollte ich nur das Beste für mein Team herausholen. Aber solche Diskussionen sind normal."

Wie die Oberlehrerin bei der Rekrutenausbildung

Mitte August sah das noch anders aus. Da pfiff Steinhaus die Erstrundenpokalpartie zwischen dem Chemnitzer FC und Bayern München. Der französische Filou Franck Ribery konfrontierte dort die 38-Jährige mit einem Stresstest als er versuchte, ihr bei der Vorbereitung eines Freistoßes die Schleife ihres Schuhwerks zu öffnen. Steinhaus lächelte den Kleine-Jungs-Streich weg und ordnete ihn später öffentlich als "Willkommensgeste" ein. "Ein raffinierter Schachzug", bewertet Psychologin Schwarz, "ihr gelingt es einfach, in speziellen Situationen einen individuellen und geradlinigen Lösungsweg zu finden. Genau das macht gute Führungskräfte aus."

Mitchell Weiser und Max Kruse, denen auf Berliner und Bremer Seite ähnliche Lausbubenstreiche am ehesten hätten zugetraut werden können, wussten sich am Sonntag zu verhalten. Aber vermutlich hätte Bibiana Steinhaus, die im Kreis von Vertrauten als ausgesprochen humorvoll gilt, auch neuerliche Angriffe wie eine unangreifbare Oberlehrerin bei der Rekrutenausbildung dezent weggelacht. Sie spielt sich eben nur ungern in der Vordergrund - und noch viel weniger will sie dem Spiel im Weg stehen.

Ein Wunsch blieb unerfüllt

Eines steht seit Sonntag fest: Die Bundesliga ist mit Bibiana Steinhaus ein Stück reicher geworden. Und von den etwa 2500 deutschen Schiedsrichterinnen, die bundesweit Spiele leiten, werden einige ihr nacheifern, unterstrich auch DFB-Präsident Grindel. "Ich denke da gerade an verletzte Spielerinnen, die vielleicht so dem Fußball erhalten bleiben können."

Aber eine Sache war da noch: Der Spielball. Schließlich äußerte Bibiana Steinhaus schon vor Wochen im ZDF Sportstudie, dass sie das Spielgerät ihrer ersten Bundesliga-Partie gern als Souvenir mit nach Hause nehmen würde. Nur kam es nach Spielende nicht dazu. Der Pressesprecher von Hertha BSC, der die Pressekonferenz mit Bibiana Steinhaus moderierte, versprach aber, sich zu kümmern.

Zum Original