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Ich habe meine Jugend verzockt

Ich renne auf die Verteidigungstürme zu, stoße dem Gegner mein Katana-Schwert in den Leib - niedergestreckt! Die Sekunden ticken runter, bis der Gegner wieder aufersteht. Keine Zeit zu verlieren, "Push middle!", rufe ich in mein Headset. Die gegnerische Kaserne zerfällt, ich kann den grünen Rauch fast sehen: "RADIANT VICTORY!", nur noch ein Hieb - da friert mein Bildschirm ein.


"Ich habe das Kabel rausgezogen", höre ich eine Stimme vor der Tür. Mama. "Und ich schwöre dir: Wenn du wieder spielst, dann schneide ich es ganz durch!" Ich drehe mich nicht um. Seit fünf Stunden sitze ich hier und spiele Dota 2. Neben mir Schulbücher, Fach: Geschichte. Morgen ist die Abiprüfung.


So war es damals: Ich war 18 und ich zockte. Ich zockte, wenn mir langweilig war, wenn ich kurz vor einer Klausur stand, wenn ich eigentlich lernen sollte. Wenn ich glücklich war oder traurig; um mich für ein gutes Zeugnis zu belohnen oder von einem schlechten abzulenken. Ich spielte selbst dann, wenn ich das Spiel gerade hasste, weil ich fünf Runden am Stück verloren hatte.


Heute, acht Jahre später, frage ich mich: War ich süchtig?


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