Lena Meyer-Landrut war die berühmteste Abiturientin Europas. Mit ihrem Song "Satellite" begeisterte sie 2010 ein ganzes Land und gewann als zweite Deutsche den Eurovision Song Contest. Sogar Angela Merkel schrieb ihr einen Fanbrief. Nach dem Erfolg kam viel Kritik, an ihrer Musik, ihren Werbedeals und an ihrem Aussehen. Auf ihrem neuen Album "Only Love, L" singt die 27-Jährige in dem Song "Thank You" darüber, wie diese Momente sie stärker gemacht haben. Wir haben Lena an einem Freitagmorgen in der Kölner Uni getroffen. Auf dem Campus war sie zum letzten Mal, als sie sich für Afrikanistik und Philosophie eingeschrieben hat.
ZEIT Campus: Wir sitzen im Bistro "piccolo w" des Studierendenwerks der Uni Köln. Warst du schon mal hier?
Lena Meyer-Landrut: Nein, ich esse zum ersten Mal auf dem Campus. Ich habe mir gerade frühstücksmäßig Focaccia mit Tomate-Mozzarella und einen Kamillentee bestellt. Das Focaccia schmeckt wirklich gut. Ich war ja nur einmal an der Uni, an dem Tag, als ich mich eingeschrieben habe.
ZEIT Campus: Du hast 2010 den Eurovision Song Contest gewonnen und warst mit Satellite 41 Wochen lang in den Charts. Im Jahr darauf bist du gleich noch einmal angetreten. Und dann stand in den Zeitungen plötzlich die Schlagzeile: "Lena studiert jetzt". Warum wolltest du an die Uni?
Lena: Alle meine ehemaligen Mitschüler und Freunde haben in der Zeit ein Studium oder eine Ausbildung angefangen. Ich wollte studieren, weil ich die Connection zu den Leuten nicht verlieren wollte. Und auch, weil ich einfach mal was Normales machen wollte.
ZEIT Campus: Für welche Fächer hast du dich entschieden?
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Lena: Ich wollte etwas studieren, was mir Spaß macht. Es ging nicht darum, dass ich damit später einen Job bekomme. Die Eltern einer guten Freundin hatten sich in Ghana kennengelernt, und wir haben bei ihr zu Hause viel afrikanische Musik gehört. Ich fand die Musik und die Kultur superspannend und habe mich deshalb für den Studiengang Sprachen und Kulturen Afrikas eingeschrieben. Erziehungswissenschaften wollte ich im Nebenfach machen, aber da wurde ich nicht genommen. Deshalb dann Philosophie, das hat mich auch interessiert.
ZEIT Campus: Erinnerst du dich an den Tag, an dem du dich eingeschrieben hast?
Lena: Das war easy. Ich bin mit einer Freundin hingegangen, die studiert hat. Ich hatte ja keinen Plan. Und ich wollte auch nicht alleine gehen, weil ich Schiss hatte, dass das komisch kommt, wenn ich da antanze. Die meisten kennen mich ja aus einem ganz anderen Kontext. Aber das war dann doch alles relativ unspektakulär. Ehrlich gesagt habe ich mich schon nach zwei oder drei Wochen wieder exmatrikuliert. Mit meinem Studium war es wie mit vielen Dingen: Wenn ich mir was in meinen Kopf setze, muss ich das auch unbedingt sofort ausprobieren. Aber eigentlich hat es damals überhaupt nicht zu meinem Alltag gepasst.
ZEIT Campus: Warum hast du so schnell hingeschmissen?
Lena: Wegen dieser Uni-Bürokratie. Und weil ich dann Entscheidungen treffen musste: Welche Vorlesungen will ich besuchen? Welche Seminare? Wann lerne ich Swahili? Ich war 19 und vom ESC völlig durchgeschüttelt. In der Zeit war ich nicht in der Lage, mich um Studienpläne zu kümmern. Das war mir dann doch alles zu viel auf der Kappe. Ich habe damals einfach nur funktioniert und wenig selbst entschieden. Heute würde ich sagen, ich war zu 95 Prozent fremdgesteuert.
ZEIT Campus: Was meinst du damit?
Lena: Seit ich bei der Castingshow zum ESC-Vorentscheid Unser Star für Oslo teilgenommen hatte, war ich bei Brainpool, der Produktionsfirma von Stefan Raab, unter Vertrag. Stefan hat mich vor vielen Dingen beschützt. Davor, dass ich mein Privatleben in die Öffentlichkeit trage. Oder davor, dass ich über jeden roten Teppich gehe. Aber jeder Tag meines Lebens war durchgetaktet von Claudia, meiner Managerin. Immer hat sich jemand gekümmert, um die Promo, um meine Reisen, dass ich hier und dort bin.
Und ich bin einfach mitgelaufen, bei Auftritten, bei Interviews, bei Shootings. Oft war ich im Kopf überhaupt nicht anwesend. Alles auf Durchzug, als würde es durch mich durchfliegen. Ich würde fast sagen, dass ich vier, fünf Jahre von meinem Gedächtnis verloren habe.
ZEIT Campus: Woran lag das?
Lena: Ich bin wahnsinnig unvoreingenommen und naiv in das ESC-Ding reingegangen. Am Anfang konnte ich mich auf mein Bauchgefühl, meine Intuition verlassen, Entscheidungen treffen und immer gut Ja, aber auch Nein sagen. Das ist dann verloren gegangen, weil ich den Überblick verloren habe. Irgendwann konnte ich nicht mehr unterscheiden: Ist das jetzt richtig oder falsch? Ich dachte, irgendwer wird das schon wissen, und dann geh ich halt mit. Wenn man sich selbst so verliert und dann auch gegen sich selbst handelt, wird es halt scheiße.