In der Oberstufe bekam Hans Peter Geerdes von seinem Chemielehrer einen Spitznamen verpasst. Das war die Geburtsstunde von H.P. Baxxter. Der 56-jährige Scooter-Frontmann macht seit Anfang der Neunziger Techno: Erst von vielen als Witzfigur verlacht, ist er heute Kult. Seine Hits wie "Hyper Hyper", "Weekend!" oder "Maria (I Like It Loud)" werden global gefeiert. H.P. fährt mit seinem silbernen Range Rover zum Interview vor, stellt seine Louis- Vuitton-Tasche ab - und isst erst mal Pommes rot-weiß.
ZEIT Campus: Wir hätten uns normalerweise in der Mensa in Hannover getroffen, wo du Jura studiert hast. Aber Reisen ist ja wegen Corona gerade schwierig, deshalb sitzen wir hier in Hamburg bei Frikadellen und Pommes rot-weiß. Hast du so was früher in der Mensa gegessen?
H.P. Baxxter: Ja, ich mochte schon immer diese klassischen Imbissbudengerichte, die es dort gab: Frikadellen, Schaschlik, halbe Hähnchen. Ich war so oft in der Mensa, wie es ging, um wenigstens einmal am Tag etwas halbwegs Vernünftiges zu essen.
ZEIT Campus: Was hast du sonst so gegessen?
Baxxter: Eigentlich nur Junkfood. Ich hatte eine Einzimmerwohnung mit Zwei-Platten-Herd und einem elektrischen Mini-Ofen. Meistens gab es Tiefkühlpizza oder weißen Toast mit Salami von Penny. Manchmal bekam ich auch Carepakete von meiner Oma aus Ostfriesland geschickt, mit Rouladen in Einweckgläsern, Friesentee und Kandis.
ZEIT Campus: Schon in deiner Abi-Zeitung stand: "Berufswunsch: Popstar". Woher kam das?
Baxxter: Seit ich zwölf war, habe ich in Schülerbands E-Gitarre gespielt und wollte sein wie Ritchie Blackmore von Deep Purple. Ich bin mit Zylinder durch Leer spaziert und wusste: Wenn das was werden soll mit der großen Karriere, kann ich nicht in Ostfriesland bleiben.
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ZEIT Campus: Warum bist du dann nach gezogen?
Baxxter: In der Zeit war ich dort öfter feiern, es gab eine coole New-Wave-Szene, und ich merkte, dass man ohne viel Geld zurechtkommt. Außerdem hatte meine damalige Freundin einen Ausbildungsplatz in Hannover, und wir wollten eigentlich zusammenbleiben. Aber das war nach drei Wochen vorbei - die Versuchungen der Großstadt.
ZEIT Campus: Warum hast du dich für Jura eingeschrieben?
Baxxter: Meine Eltern haben klar gesagt: "Musik ist okay, aber vorher musst du irgendwas Richtiges machen, ein Studium, eine Ausbildung." Ich hatte ein mäßiges Abitur von 3,2, und für Jura gab es in Hannover keinen NC. Es hätte aber genauso gut Bio oder Geschichte sein können. Mir war schnell klar, dass Jura eine Fehlentscheidung war. Die Fakultät war in einem heruntergekommenen Fabrikgebäude am Stadtrand, wo mich gleich die Asta-Leute begrüßt haben. Diese Ökos saßen da rum und haben gestrickt. Das war nicht mein Ding.
ZEIT Campus: Die Vorlesungen auch nicht?
Baxxter: Ich habe mir das zwei, drei Wochen angehört, verstand nichts und dachte: "Komm, Hans Peter, lass mal gut sein." Ich hielt mich dann als Pizzafahrer über Wasser und hatte ja noch mein Bafög. Nach zwei Semestern hab ich mich exmatrikuliert und eine Ausbildung im Dentalgroßhandel angefangen.
ZEIT Campus: Mit der Musik lief es besser. 1986 hast du über eine Zeitungsannonce deinen späteren Scooter-Kollegen Rick J. Jordan kennengelernt. Ihr habt mit deiner Schwester eine Band gegründet: Celebrate the Nun. Der Sound klang wie die Pet Shop Boys oder Depeche Mode - und ihr saht auch so aus. Warum habt ihr den Durchbruch nicht geschafft?
Baxxter: Vielleicht war es genau das: Wir waren immer nur eine Band, die klingt wie. Wir waren besessen davon, berühmt zu werden, und einfach zu verkrampft. Ich hatte in diesen Jahren kein richtiges Leben. Ich hetzte immer nur zwischen der Ausbildung und Ricks Keller hin und her, wo wir die Nächte durchgeprobt haben. Heute denke ich: was für ein Horror. Wir treffen uns inzwischen mit Scooter maximal viermal die Woche und nur von mittags bis abends. Ein Problem von Celebrate the Nun war auch, dass wir musikalisch zu spät dran waren. Die ganze Synthie-Pop-Geschichte war Ende der Achtzigerjahre mehr oder weniger durch. Damals eröffneten die ersten Techno-Clubs wie das Omen in Frankfurt. Ich hab das sofort gefeiert, diese Wahnsinnsenergie.