Männer entscheiden die Wahl, so heißt es. Aber stimmt das wirklich? Refinery29 hat bei der Soziologin Dr. Ina Bieber, 37, nachgefragt. Sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Soziologie der Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Ihre Magisterarbeit hat sie darüber geschrieben, ob Frauen eine geeignete Zielgruppe für Wahlkämpfe sind, und ihre Dissertation untersuchte den Frauenanteil in der Politik. Bieber weiß, warum Merkel keine Handtaschen trägt und Schulz so viel über gleiche Bezahlung redet.
Refinery29: Im Vergleich zu den Männern können am kommenden Sonntag 1,5 Millionen mehr Frauen wählen. Wenn alle wählen gingen, läge die Wahlentscheidung also bei den Frauen. Warum sind es trotzdem die Männer?
Ich bin keine Wahlkampfstrategin, aber neu ist das nicht. Bereits der ehemalige Präsident der Vereinigten Staaten John F. Kennedy hat im Wahlkampf seine Familie vor die Kamera geholt. Kinder und auch Familienangehörige sind ein beliebtes Wahlkampfmotiv. Man hat so die Möglichkeit, den Politiker oder die Politikerin als Privatperson zu zeigen. Das kann gelingen oder auch nicht. Der damalige Verteidigungsminister Rudolf Scharping von der SPD wurde sogar kurz vor der Bundestagswahl 2002 entlassen, weil er sich für die Zeitschrift „Bunte" mit seiner damaligen Lebensgefährtin auf Mallorca im Swimmingpool fotografieren ließ, während die Bundeswehr vor einem Einsatz in Mazedonien stand.
Bei den Grünen war der Anteil der Männer bis in die 90er-Jahre ein bisschen höher, seit 2002 wählen aber mehr Frauen die Partei. Bei den Linken haben die Männer einen Überhang und auch bei der FDP.
Ich persönlich begrüße das grundsätzlich. Dadurch werden mehr Frauen motiviert, wählen zu gehen. Je mehr Frauen sich beteiligen, desto mehr Macht haben sie auch. Je mehr Frauenförderung stattfindet, desto besser. Gerade, wenn viele Magazine sich zusammenschließen, wird vielleicht die eine oder andere Frau motiviert, ihr politisches Interesse nimmt zu und sie geht am Sonntag wählen.