Musik als Kunst zu begreifen, Kultur durch ihre Tragweite erkennen, erfahren wo man eigentlich sein könnte, worin wir leben. Stichworte wie musikalisches Europa, Szenedeutschland oder Lokalpatriotismus sind schon mit unserem kleinen End Pilot Festival in Erfurt in Verbindung gebracht worden, dabei geht es doch nur um eins: ein Fest feiern, in seiner ursprünglichen Form - als ganz persönliche Bewusstwerdung der eigenen Situation und ihrer Herrlichkeit. Klingt abgefuckt - ist es auch. Wer Kult nicht mit Schweiß, abgedrehten Ideen und feixenden Freunden in Verbindung bringt, der hat es immer noch nicht verstanden. Kein Ziel haben, allem Raum geben, sich selbst auch. Der End Pilot ist egoistisch, er macht was er will. Und keiner kann ihn aufhalten, denn er will nirgendwo ankommen.
[...]
KANGDING RAY [FRA/Raster-Noton]
Kanding Ray ist unzählige weiche Schnittwunden, die sein Frequenzrauschen im Raum hinterlässt. Lichter gehen an und du bist auf einmal gefangen in einem Nebel aus entspannter Gefährlichkeit, als ob du einer gewaltigen Maschine zusiehst, die sich jederzeit drehen könnte und dich zermalmen. Alles vibriert, du ziehst die Kapuze hoch, oben im Führerhaus singt jemand eine Warnung. Egal, sogar das klingt faszinierend. Ist Detail der Maschine. So soll es sein, denkst du, und versinkst hoffnungslos verloren im Beat.
ERIK ENOCKSSON* [SWE/Kning Disk]
Die Welt von Erik Enocksson ist knarzig. Sie ist ertastbar und klein, mit beängstigend überschaubar vielen dunklen Ecken. Von dort tropft das Leben quer durch den Raum, es trippelt auf Eriks Stuhl, der lautstark altes Holz atmet. In seiner Welt ist kein Platz für eine Bühne oder ein Publikum. Aber sie hat ein kleines Fenster. Wir stellen uns davor und drücken uns die Nase platt, starren einfach hinein. Erik Enocksson kann, für sich, uns ergreifen. Für uns spielen kann er nicht.
*Screening "Skinnskatteberg"
KAM:AS [DE/Sinnbus]
Wir bleiben dabei. Kam:as sind Hooligans. Der Typ Hooligan, der nachts Bücher wälzt um die Masse am nächsten Morgen mit roten Kastenaugen führen zu können. Und als echte Hooligans sind Kam:as Außenseiter. Der Umbruch der musikalischen Gesellschaft, der von ihnen gefordert wird, ist so radikal, dass nur die Langsamsten und die Schnellsten die Zeit oder die Auffassungsgabe haben um ihn wirklich zu begreifen. Ihn in sich aufnehmen zu können, ihn zu akzeptieren, selbst wenn manchmal sogar Pop drauf steht. Wie jeder Hooligan sind Kam:as von Grund auf total nett. Und wollen nur spielen.
CELESTINE [IS/Sound Devestation, Milkweed]
Ewig ödes Vorstadtgehabe, geleckte Mittelständler und lebendiges, klebrig-jähzorniges Wetter. Mittendrin Celestine, als momentane Krone der noch wirklich subversiven Core- und Langhaarbewegung. Im April pinkelt der echte, bärtige Isländer nachts um vier sturzbesoffen auf Elfen. Hört dabei Folk und Hydrahead-Alben. Und bastelt dann selber seinen Frust auf ein Brett. Danach gehts dann zur Familie aufs Land, der Onkel outet sich nämlich gerade.
NILS FRAHM [DE/Ateliermusik]
Man braucht schon ein bisschen, um Herrn Frahm in all dem Berliner Musikwirrwarr zu finden. Den jungen Mann der sich setzt, dich anzuschauen scheint und dann gefederte Holzklöppel trippelnd gegen Synapsen schlagen lässt. Plötzlich bist du im Hier und Jetzt, bei deinem Freund Nils, und er versteht dich - um sein eigenes Werk irgendwie zu deinem zu machen. Klaviersoli sind ja sowieso die beste monotheistische Musik. Da muss man eigentlich nicht weiter schreiben.