Im Dschungel können sich Tiere noch ganz frei bewegen. Aber wenn ihnen erst mal der Mensch in die Quere kommt, werden Tiere schnell eingeschränkt. Im Durchschnitt bewegen sich Tiere in der Nähe von Menschensiedlungen nur noch halb so viel wie ihre Artgenossen in der Wildnis. Manche Arten bewegen sich sogar nur noch ein Drittel so viel. Zu diesem Ergebnis kommt eine internationale Studie von mehr als 100 Forschern.
Angestoßen hat die Studie die Australierin Marlee Tucker. Sie forscht für die Senckenberg-Gesellschaft und die Goethe-Uni Frankfurt. "Ein Beispiel ist der afrikanische Waldelefant, der im Kongobecken lebt. Wir haben beobachtet, dass sich ein Tier, das in abgelegenen Wäldern lebt, sich dort 44 Kilometer in zehn Tagen bewegt. Ein Elefant hingegen, der in der Nähe von Menschen lebt, läuft nur 22 Kilometer in zehn Tagen. Das ist nur noch halb so viel."
Werden Tiere zu Couch Potatoes?Ähnliches gelte auch für Feldhasen in Deutschland. Untersucht haben die Forscher die Bewegungsdaten von fast 60 Tierarten weltweit - mit Hilfe von GPS-Trackern. Ob in Amerika, Afrika, Teilen Europas, in Neu-Seeland oder in der Mongolei: Auf allen Kontinenten wurden die Bewegungsdaten von Säugetieren ausgewertet. Egal ob Hasen oder Wildschweine, Zebras oder Elefanten - alle bewegen sich weniger, wenn sie mit Menschen zusammenleben.
Werden die Tiere deshalb zu Couch Potatoes? "Nein, das denke ich nicht", sagt Tucker. "Sie sind nicht wie Menschen. Sie werden nicht fett oder so. Ich denke sie haben einfach mehr Ressourcen, deswegen müssen sie sich nicht so viel bewegen. Wohingegen in der Wildnis die Ressourcen ungleichmäßiger verteilt sind, daher müssen sich die Tiere in der Wildnis auch mehr bewegen, um alles abzugrasen."
Einschränkung durch den MenschenAuch durch menschengemachte Hindernisse wie Zäune oder Straßen werden die Tiere in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt, sagt Marlee Tucker. Langsamer werden sie deswegen allerdings nicht. Sie bewegen sich nur weniger. Dass Tiere in bewohnten Gegenden ihr Verhalten ändern, hätten Forscher schon früher anhand einzelner Spezies in bestimmten Gebieten festgestellt, sagt Professor Thomas Müller.
Auch Müller forscht für die Goethe-Uni und die Senckenberg-Gesellschaft und bewertet die jetzt im Science-Magazin veröffentlichte Studie so: „Das war jetzt das erste Mal, dass wir uns diesen Effekt weltweit über hunderte von Tieren angeguckt haben und das tatsächlich gesehen haben: Das passiert überall auf dem Globus wo Menschen einen Einfluss haben, und der Effekt ist von der Auswirkung groß, das heißt im Extremfall verringert sich der Aktionsradius um die Hälfte bis nur noch ein Drittel."
Und das kann Folgen haben: Sowohl fürs Ökosystem, als auch für die Menschen. So sind Tiere zum Beispiel dafür verantwortlich, dass bestimmte Pflanzensamen über verschiedene Lebensräume ausgetauscht werden. Auch Nahrungsketten könnten bedroht sein, wenn Tiere sich weniger bewegen. Um solche Ökosysteme für die Tiere zu erhalten, müssten also Verbindungswege zwischen unbewohnten Landschaften geschaffen werden, sagen die Forscher.
Sendung: hr-iNFO, 26.1.2018, 6.37 Uhr