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Der mit den Wellen tanzt

Um seiner Passion nachzugehen, reist Chris Landrock durch die Welt - etwa nach Australien, Marokko, Spanien oder Frankreich. Er ist Surfer und lebt in Bremen. Seine Leidenschaft gilt dem Wellenreiten. In wenigen Tagen wird Landrock über 20 Stunden im Flieger sitzen. Das Reiseziel heißt Wanning, eine Stadt im Südosten der chinesischen Inselprovinz Hainan. Dort findet vom 19. bis zum 25. Januar die Long­board-WM der besten Wellenreiter statt. Und Landrock ist erstmals dabei.

„Ich surfe da mit vielen Leuten, die ich eigentlich nur aus Videos kenne", sagt der 36-Jährige. Landrock muss sich in China überwiegend mit Surfern messen, die mit Wellenreiten ihren Lebensunterhalt finanzieren. Einige von ihnen sind dank lukrativer Sponsorenverträge bereits Millionäre.

Landrock freut sich auf seine erste Weltmeisterschaft. Zu seinen besten Resultaten zählen ein vierter Platz bei der deutschen Meisterschaft und Rang zwei bei den Hochschulmeisterschaften. Er will ohne Druck nach Asien fliegen. „Die WM ist ein einmaliges Event für mich. Ich will mein Bestes geben und möglichst weit kommen. Klar wäre es schön, dem ein oder anderen ein Beinchen zu stellen."

Der gebürtige Bremer ist an der Ostseeküste in Flensburg aufgewachsen. Mit 16 stand er in Dänemark erstmals auf einem Brett. „Sehr spät", wie Landrock betont. „Fast alle WM-Teilnehmer sind an der Küste aufgewachsen und haben mit vier oder fünf Jahren mit dem Surfen begonnen." Landrock brachte sich das Wellenreiten selbst bei. Als 18-Jähriger flog er mit seinem Brett nach Marokko, um einen Monat lang Wellen zu reiten. „Danach wurden eigentlich alle Urlaube dem Surfen gewidmet."

Nach dem Zivildienst kehrte Landrock nach Bremen zurück, um an der Uni Sport und Mathematik auf Lehramt zu studieren. Der 36-Jährige schloss das Studium ab, die Sehnsucht nach dem Meer war jedoch stärker. Statt in Klassenräumen zu unterrichten, weilt Landrock lieber an Stränden. Sechseinhalb Monate im Jahr verbringt er im Ausland. Landrock arbeitet als Surflehrer und Campleiter in Andalusien, Galizien und in Frankreich. Die restliche Zeit des Jahres widmet er der Kunst. Landrock ist bekennender Umweltaktivist. Auf seinen Reisen fischt er alles an Müll aus dem Meer, was angeschwemmt wird. Daraus bastelt er Kunstgegenstände, die auf die Verschmutzung der Ozeane aufmerksam machen sollen (siehe www.meerkreativitaet.de). Was ihm zu China einfällt? „Der größte Plastikverschmutzer weltweit."

Beim Wellenreiten unterscheidet die Surf-Szene zwischen kürzeren und längeren Brettern, den sogenannten Short- und Long­boards. Bei den Shortboards ändert der Surfer seine Fußposition nicht. Er steht fest auf dem Brett. Anders als beim Longboard, das eine Mindestlänge ab neun Fuß haben muss. „Ein Fuß entspricht gut 30 Zentimetern", erklärt Landrock. Sein Long­board ist fast drei Meter lang. Shortboards sind mit 1,50 Meter bis 2,10 Meter deutlich kürzer. „Es ist wie Tanzen auf dem Brett", beschreibt Landrock das Longboarden.

Mit seinem Brett tanzt er am liebsten auf Wellen, die „schön sauber" sind, wie er sagt. „Sauber heißt, dass die Welle an einem Teil anfängt zu brechen und dann wie ein Reißverschluss an der Welle entlangbricht", erklärt Landrock. „Würde alles auf einmal brechen, dann hätte man wenig Wellenwand, an der man entlang fahren kann." Landrocks Grundsatz für eine gute Welle: Je länger sie ist, desto besser. Die Höhe ist weniger entscheidend.

Gute Wellen sind für den Wellenreiter in Bremen nicht gegeben. Schon öfter habe er darüber nachgedacht, seinen Wohnort zu wechseln und ins Ausland zu ziehen. In Bremen habe er seine „Basis", hier lebt der Großteil seines Freundeskreises. Zu seinen Eltern nach Flensburg ist es nicht weit. Warum er von der Hansestadt noch nicht loslassen kann, hat einen weiteren Grund: „Man freut sich wesentlich mehr auf das Meer und auf die Wellen, wenn man dahin reist. Würde man irgendwo am Strand leben, dann wird man schnell wählerisch." Landrock spricht aus Erfahrung. In den Sommermonaten arbeitet er dreieinhalb Monate durchgängig in Frankreich. „Man brennt am Ende nicht mehr jeden Tag darauf, ins Wasser zu gehen, wenn die Wellen nicht mehr so hundertprozentig perfekt sind."

"Ich möchte zwei Wochen einfach nur Gas geben"

Perfekte Bedingungen findet Landrock auf Teneriffa vor. Dort bereitet er sich aktuell zwei Wochen lang auf die Weltmeisterschaft vor. Landrock möchte so viel es geht, auf dem Wasser sein. Zwei bis drei Einheiten pro Tag stehen auf dem Programm. Eine Einheit dauert in etwa zwei Stunden. Dazu noch Athletik- und Krafttraining. „Ich möchte zwei Wochen einfach nur Gas geben."

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