Es ist ein Ort der Stille, den die Weltmeisterin im Dauertalken für ihr Interview gewählt hat. Die Menschen flüstern vor dem Buddhistischen Haus. In der Nähe, im Vorort Berlin-Frohnau, wuchs Ariane Alter auf. Die Frau, die nach Anke Engelke zum ersten Mal im deutschen Fernsehen eine Late-Night-Show moderiert.
Alter ist 15 Minuten zu spät, aber die redet sie in den ersten zwei Minuten wieder rein. Sie war öfter mit der Schule hier in der Tempelanlage, und spätestens als sie einen genervten sächsischen Mönch aus ihrer Jugendzeit parodiert ("Könnt ihr mol n bisschen läser sein"), ist jeglicher spiritueller Zauber verflogen.
Mit der Beanie, unter der die weißblonden Haare hervorspitzen, schwarz lackierten Fingernägeln und dem mit Anglizismen geschmückten Wortschatz hat die 34-Jährige immer noch die Aura der MTV-Moderatorin, als die sie ihre Karriere mit 21 Jahren nach Abi und Radiopraktikum begann. Und sie sagt selbst: "Dieses MTV-like ist Teil meines Charakters, alles nicht so ernst und tragend."
Wenige Tage später wird sie im etwas ernsteren Fernsehen aus einem weißen Sportflitzer springen und ins Studio ihrer eigenen Late-Night-Show stolzieren. An diesem Samstag sind es noch fünf Tage bis zur Ausstrahlung der ersten Folge von Late Night Alter, jener Show, die jetzt den Sendeplatz des geliebten, gehassten, verachteten und gefeierten Satirikers Jan Böhmermann bekommt. Donnerstag, 22.15 Uhr, ZDF Neo, eigentlich unbetretbares Gebiet, ein Sendeplatz, den Böhmermann nach sieben Jahren Neo Magazin Royale, mit Chartplatzierungen wie mit dem Rapsong "Ich hab Polizei", mit Staatsaffären, Strafverfahren, eigener Bundeskanzler-Kritik ("Bewusst verletzend"), RTL-Bashing und fünf Grimme-Preisen als rauchende Kraterlandschaft im Programm des Spartenkanals hinterlässt.
In diese gewaltige Late-Night-Lücke stapft jetzt diese schmale Frau mit weißen Sneakern. Und dass es sich hier um eine Frau handelt, macht natürlich nichts einfacher. Weibliche Late-Night-Hosts sind im deutschen Fernsehen ähnlich präsent wie FDP-Vorstandsmitglieder auf "Friday For Future"-Demos. Zwischen allen Jokos, Klaasens, Jans und Olivers bekommt jetzt Ariane Alter 30 Minuten Sendezeit pro Woche. Und mit an den Showvertrag getackert ist ein gesellschaftspolitischer Auftrag: Bitte witzig, originell, Frau und fetzig sein - das alles auf ZDF Neo, dessen Zuschauer trotz hippem Spartenversprechen im Schnitt nicht so neohafte 60 Jahre alt sind.
Was das Ganze wieder nicht einfacher macht: Vielen ist Ariane Alter weder Bild noch Begriff. Denn ihr bisheriges Fanpublikum bewegt sich irgendwo zwischen erstem Stimm- und Bachelorabbruch. Bis jetzt moderiert sie noch ohne gesellschaftlich breite oder feuilletonistisch kritische Aufmerksamkeit beim BR-Jugendsender Puls ein Reportageformat. Sie stellt sich in der Sendung Das schaffst du nie beim Online- und Jugendangebot Funk von ARD und ZDF unterhaltenden "Challenges", Aufgaben wie "Fahre mit dem Rad übers Wasser" oder "Bewältige einen Marathon auf Eis in 5 Stunden". Oder sie spricht über Vulven und Penisverletzungen in dem Sexpodcast Im Namen der Hose. Verglichen mit ihrem krawalligen Vorgänger ist das alles trotzdem relativ nett. Wie nett darf man als Late-Night-Moderatorin sein? Wo endet nett und wo beginnt irrelevant?
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