Marlene Halser

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Regulierung von LSD: Legale Trips dank Tippfehler im Gesetzentwurf?

© [M] Milad Fakurian/​unsplash.com

Ein Tippfehler sorgt derzeit für viel Aufregung. Denn dieser Fehler hat es in sich: Er steht in der Überarbeitung eines Gesetzes, das bestimmte Drogen verbietet. Das Regelwerk des Bundesgesundheitsministeriums mit dem sperrigen Namen Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetzes, kurz NpSG, soll dafür sorgen, dass Drogen, die neu auf den Markt kommen, nicht alle einzeln verboten werden müssen, sondern zusammengefasst reguliert werden können.

Die Verbotsliste, die zu diesem NpSG gehört, sollte im Herbst 2022 unter anderem um einige Weiterentwicklungen der Substanz LSD erweitert werden. Doch anstatt zwei Stoffgruppen mit einem Komma zu trennen, findet sich in der Anlage zum Gesetzestext (PDF) ein Bindestrich. Dieser Bindestrich statt eines Kommas habe ein geplantes Verbot von psychoaktiven Substanzen zunichtegemacht, schreibt der Strafrechtsanwalt Sebastian Sobota in einem Aufsatz, der im März in der Fachzeitschrift Strafverteidiger erscheinen soll und ZEIT ONLINE vorliegt.

Mehr noch: Der Jurist und Kriminologe Sobota ist überzeugt, dass das Gesundheitsministerium damit versehentlich einige neue LSD-Derivate nicht nur erlaubt hat, obgleich sie gesundheitlich bedenklich sein könnten. Die Formulierung habe auch zur Folge, dass zahlreiche längst verbotene LSD-Derivate nun nicht mehr erfasst seien.


Das Ministerium will Drogen verbieten, legalisiert sie aber aus Versehen? Klar, diese These sorgt für Aufruhr. "Diese Darstellung ist falsch", versuchte das Bundesgesundheitsministerium deshalb umgehend richtigzustellen. Es gebe zwar einen Interpunktionsfehler in der Verordnung. Unbeabsichtigt sei ein Bindestrich verschoben worden. Der redaktionelle Fehler habe aber keine Auswirkungen auf die geltende Rechtslage. Man werde die Zeichensetzung zügig korrigieren, teilt das Ministerium mit. Binnen vier Wochen soll das Berichtigungsverfahren erledigt sein.

Alles halb so wild, so könnte man die Reaktion aus Karl Lauterbachs Haus deuten. Tatsächlich ist bisher unklar, ob und welche juristischen Folgen das Missgeschick hat. Das könnten nur Gerichte klären. Sicher ist aber: Es verrät viel über den immer komplizierter werdenden Drogenmarkt - und über den womöglich zum Scheitern verurteilten Versuch, ihm Herr zu werden.


 LSD und seine Abkömmlinge


Um zu verstehen, was an diesem Kommafehler brisant ist, muss man wissen, was es mit den Weiterentwicklungen von LSD auf sich hat. Die ursprüngliche Substanz Lysergsäurediethylamid, kurz LSD, kann in höheren Dosen stark halluzinogen wirken und wird vom Gesetzgeber als gefährliche Droge einstuft. LSD ist deshalb im Betäubungsmittelgesetz als illegale Substanz aufgeführt und verboten.


Konsumiert wird LSD trotzdem. Und das vor allem in "Nischensituationen", wie die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht in ihrem Drogenbericht 2022 (PDF) schreibt. Das heißt: Die Konsumenten nehmen die Substanz meist unbeobachtet und im Privaten ein. Verlässliche Zahlen über den LSD-Konsum der Deutschen liegen nicht vor. Bei einer europäischen Onlineerhebung zu Drogen gaben 2021 immerhin 20 Prozent der Konsumierenden an, in den vergangenen zwölf Monaten auch LSD genommen zu haben. Die deutsche Polizei meldet für dasselbe Jahr 897 Fälle von "allgemeinen Verstößen mit LSD". Die Anzahl der erfassten LSD-Delikte in Deutschland hat sich in den vergangenen zehn Jahren verfünffacht. Was nicht zwingend heißen muss, dass der Konsum gestiegen ist. Der Zuwachs kann auch an effektiveren Kontrollen liegen.

Trotzdem lässt sich aus den wenigen verfügbaren Zahlen erkennen: Das Verbot von LSD hat in den Jahrzehnten seines Bestehens offenbar nicht dazu geführt, dass es keinen Konsum mehr gibt. Und es ist ein neues Problem dazu gekommen: Um das Verbot von LSD zu umgehen, werden seit einigen Jahren immer neue Weiterentwicklungen der Ursprungsverbindung entworfen, die sogenannten Derivate.

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