Auch wer wenig schläft, kann viel im Job leisten. Ein Schlafforscher erklärt, wie man seinen Schlaftyp findet, ob Kaffee hilft und wie ein Leben ohne Wecker gelingt.
Nicht die Nacht vor dem wichtigen Termin sei entscheidend, sondern die Woche davor, sagt der Biologe Albrecht Vorster. Am Universitätsklinikum Bern erforscht er den Schlaf und weiß, wie man handeln sollte, wenn man zu wenig davon bekommt
ZEIT ONLINE: Herr Vorster, manchmal schläft man schlecht und wacht morgens wie gerädert auf. Was kann man tun, damit man am nächsten Tag trotzdem gut arbeiten kann?
Albrecht Vorster: Wegen einer Nacht würde ich mir keine Sorgen machen. Das stellt man auch im Labor immer wieder fest. Selbst wenn wir Menschen die halbe oder sogar die ganze Nacht wachhalten, können Sie am Tag danach relativ gut arbeiten und können ähnlich viel leisten wie sonst auch.
ZEIT ONLINE: Nach guter Performance fühlt man sich aber meist trotzdem nicht. Wie passt das zusammen?
Vorster: Das eine ist das subjektive Empfinden, das andere die tatsächliche Performance. Beides unterscheidet sich manchmal ganz beachtlich. Man hat morgens das Gefühl, man sei schlecht aufgestanden, und dann glaubt man, jetzt müsste der ganze Tag schlecht laufen. Das stimmt aber nicht. Als Schlafforscher habe ich auch meinen eigenen Schlaf im Blick. Ich bin manchmal selbst überrascht.
"Auch nach einer schlechten Nacht kann der Tag super funktionieren." Albrecht Vorster, Schlafforscher
ZEIT ONLINE: Was beobachten Sie?
Vorster: Es gibt Nächte, in denen ich geschlafen habe wie ein König. Ich bin schnell eingeschlafen und habe lange durchgeschlafen. Und trotzdem will der nächste Tag nicht flutschen. Alles, was schiefgehen kann, geht schief. Und dann gibt es Nächte mit viel zu wenig Schlaf. Vielleicht war ich am Abend unterwegs, trank Alkohol. Vielleicht war es zu heiß oder eine Mücke war im Schlafzimmer. Also definitiv keine gute Nacht. Und trotzdem funktioniert der nächste Tag super.
ZEIT ONLINE: Ab wann sprechen Sie davon, dass jemand schlecht geschlafen hat?
Vorster: Schlechter Schlaf ist für mich etwas, das mindestens eine Woche anhält. Stellen Sie sich vor, Sie müssten einen Vortrag halten. Vielleicht müssten Sie dazu verreisen und im Hotel übernachten. Viele Menschen haben in dieser Situation Angst, dass sie im Hotel schlechter schlafen als sonst und am nächsten Tag nicht fit sind. Das ist unbegründet. Es geht vielmehr darum, in der Woche vorher auf einen guten, geregelten Schlaf zu achten. Dann müssen sie sich eigentlich um die letzte Nacht keine Sorgen machen. Ich führe auch gerade eine Studie mit Nachwuchsathleten im schweizerischen Tenero durch. Es scheint nicht unbedingt entscheidend, wie die Nacht vor dem Wettkampf war. Entscheidend ist vielmehr, wie jemand in der Woche vor dem Wettkampf geschlafen hat.
ZEIT ONLINE: Warum macht sich schlechter Schlaf erst über einen längeren Zeitraum bemerkbar?
Vorster: Das ist wie mit der Ernährung. Wenn ich einen Tag lang nur Fastfood esse, dann führt das nicht dazu, dass es mir am nächsten Tag schlecht geht. Vielleicht bin ich sogar ein bisschen glücklicher. Aber wenn ich das über mehrere Wochen oder sogar noch länger mache, wirkt sich das auf den Körper aus. Menschen, die regelmäßig deutlich zu wenig Schlaf bekommen, merken das dann im Urlaub.
"Das Gute ist: Wir können Schlaf etwas nachholen." Albrecht Vorster, SchlafforscherZEIT ONLINE: Woran?
Vorster: Sie schlafen nicht nur am ersten Tag mehr, sondern die ganze erste Woche. Das Gute ist: Wir können Schlaf etwas nachholen. Aber das schafft man oft nicht in einer Nacht, sondern man braucht eine Weile dazu.
ZEIT ONLINE: Wie viel Schlaf braucht der Mensch denn?
Vorster: Das ist wie bei der Ernährung oder beim Flüssigkeitsbedarf individuell. Es gibt Vieltrinker und Wenigtrinker. Genauso gibt es geborene Kurzschläfer, die ihr Leben lang mit fünf oder sogar mit vier Stunden Schlaf auskommen. Und es gibt Langschläfer, die eher so neun Stunden schlafen. Aber man kann sagen, dass 90 Prozent der Bevölkerung irgendwas zwischen sechs und neun Stunden Schlaf brauchen.