Marlene Halser

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CBD: Gebt den Hanftee frei

CBD als Lifestyleprodukt: ein Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz? © Christopher Lemercier/​unsplash.com

Ein Mann kauft CBD-Produkte in der Überzeugung, das sei legal. Dann bekommt er Post von der Polizei. Warum werden Verkäufer und Konsumenten immer noch kriminalisiert?


Hanfi tanzt, als er von der Entscheidung des Gerichts erfährt. Hanfi, das ist ein überdimensioniertes, quietschgrünes Hanfblattkostüm mit fröhlichem Lachgesicht. Im Kostüm steckt Wenzel Cerveny. Ausdauernd hüpft er von einem grünen Bein aufs andere und reckt die Daumen in die Höhe - auch wenn das Urteil am Bundesgerichtshof in Leipzig, auf das er am Mittwoch draußen auf dem Bürgersteig gewartet hatte, bestenfalls als Teilerfolg zu verbuchen ist.

Cerveny ist Unternehmer und Cannabis-Aktivist. In verschiedenen bayerischen Städten betreibt er insgesamt zehn auf Hanfprodukte spezialisierte Bioläden. Dort verkauft er auch CBD-Blüten und Tee. Nach Leipzig gekommen ist Cerveny, weil die Revisionsverhandlung am vergangenen Mittwoch am Bundesgerichtshof auch ihn betrifft. Die Entscheidung war bundesweit mit Spannung erwartet worden - sowohl von denen, die CBD-Produkte verkaufen, als auch von denen, die sie konsumieren.

"In meinen Geschäften hat es mittlerweile schon über 20 Razzien gegeben", sagt Cerveny durch das kleine grüne Gitter im Hanfblatt, hinter dem sich sein Gesicht verbirgt. "Außerdem hat die Polizei in meinen Läden Ware im Wert von über 250.000 Euro beschlagnahmt." Der Vorwurf: Cerveny verstoße mit dem Verkauf von CBD-Blüten gegen das Betäubungsmittelgesetz. Ein Vorwurf, dem Cerveny wegen der nicht vorhandenen Rauschwirkung von CBD vehement widersprecht.

Wie viele Menschen bislang wegen des Verkaufs oder Kaufs solcher THC-armer Cannabisblüten polizeilich belangt worden sind, lässt sich nicht erheben. Die Polizeistatistiken weisen beschlagnahmtes CBD-Gras nicht gesondert aus. Unsere Recherchen ergaben jedoch, dass deutschlandweit zahlreiche Shops und Verbraucherinnen von der Thematik betroffen sind. Um die Frage, ob der Verkauf von CBD-Gras in Deutschland legal ist oder nicht, ist ein Streit entbrannt, der seit mehr als drei Jahren in verschiedenen Bundesländern juristisch ausgetragen wird.

In der BGH-Verhandlung in Leipzig ging es um das Unternehmen von Marcel Kaine und seinem Geschäftspartner Mofrad Hatefi. Kaine, 29 Jahre alt, betreibt seit April 2017 in der Braunschweiger Innenstadt die Hanfbar, ein veganes Café, in dem er CBD verkauft - neben Smoothies mit Hanfsamen, Energyballs mit Hanf und Hanfseife.

CBD steht für Cannabidiol und ist ein Wirkstoff der weiblichen Hanfpflanze, genannt . Im Gegensatz zum oft besser bekannten Tetrahydrocannabinol, kurz THC, hat CBD keine berauschende Wirkung. Die Weltgesundheitsorganisation WHO bescheinigte Cannabidiol schon 2018 weder Suchtpotenzial noch Missbrauchsgefahr. Und der EuGH stellte im November 2020 fest, dass CBD im Gegensatz zu THC "offenbar keine psychotropen Wirkungen oder schädlichen Auswirkungen" auf den menschlichen Körper hat und deshalb weder als Droge noch als Betäubungsmittel einzustufen ist. Die therapeutische Wirkung von CBD, besonders in kleinen Dosen, wird für unterschiedliche Indikationen noch erforscht. Als Arznei zugelassen ist CBD bislang nur für die Therapie von zwei schweren und seltenen Epilepsieformen bei Kindern.

Marcel Kaine hatte CBD-Blüten als Tee verkauft. Die Sorten tragen Namen wie "Obstsalat", "Waldspaziergang" oder "Netflix & Chill". Er sagt: "Als ich 2017 die Hanfbar in Braunschweig eröffnet habe, haben etwa zeitgleich in Österreich die ersten CDB-Shops aufgemacht". Diese hatten neben Ölen auch CBD-Blüten im Sortiment, die sich optisch kaum von den illegalen Cannabisblüten unterschieden, aber neben dem Hauptwirkstoff CBD nur einen sehr geringen THC-Gehalt haben. Als Tee getrunken oder in einem Joint geraucht verursachen sie kein High.

Während in Deutschland lediglich der Anbau von EU-zertifiziertem Nutzhanf erlaubt ist, ist in der Schweiz auch die Züchtung mit Nutzhanf legal. "Hier ist vor einigen Jahren ein Qualitätssprung passiert, den es so vorher nicht gab", sagt Kaine. Es wurden samenfreie Sorten gezüchtet, deren Blüten zwar aussehen wie THC-haltige Knospen, die den berauschenden Wirkstoff aber nur in sehr geringen Mengen enthalten. Ende 2017 nahm auch er CBD-Blüten in das Sortiment der Hanfbar auf. "Ich habe gedacht, wenn das in unserem Nachbarland Österreich ohne Probleme mit der Polizei funktioniert, warum soll das in Deutschland nicht gehen? Schließlich sind wir in der EU."

In Österreich und der Schweiz sind die gesetzlichen Bestimmungen eindeutig: In der Schweiz dürfen Hanfpflanzen mit bis zu einem Prozent THC verkauft werden, in Österreich liegt der Grenzwert bei 0,3 Prozent. Anders als hierzulande ist es nicht von Belang, ob das Cannabis verarbeitet ist oder nicht - solange es nicht als Arznei beworben wird. Schweizer Polizistinnen verfügen außerdem seit 2017 über Schnelltests, mit denen sie den THC-Gehalt der Blüten an Ort und Stelle in wenigen Minuten feststellen können.

Zum Vergleich: Der THC-Gehalt von psychoaktivem Cannabis liegt nach Schätzungen der Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EBDD) zwischen sieben und elf Prozent, in Spitzenwerten sogar bei 22 Prozent. Laut EBDD sind mindestens drei Prozent THC nötig, um überhaupt eine Rauschwirkung zu erzielen, also mehr als die zehnfache Menge, die in CBD-Blüten festgestellt wird.

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