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Die Rückkehr der Fans

Bild: rbb/Dobers

Heimspielauftakt für Tennis Borussia - Die Rückkehr der Fans

Tennis Borussia ist zurück in der Regionalliga. Nach der knappen Auftaktniederlage am vergangenen Wochenende stand am Samstag das erste Heimspiel an. Und das unter ganz besonderen Vorzeichen: Es waren wieder Zuschauer erlaubt. Von Marius Dobers

Eine circa 30-köpfige lila-weiße Karawane zieht am Vormittag durch das Berliner Stadtgebiet. Die "Caravan of Love" hat zum Fahrradkorso geladen. Vom Rosa-Luxemburg-Platz geht es über Ostbahnhof, Herrmannplatz und das Rathaus Schöneberg bis zum Mommsenstadion an der Waldschulallee.

Christian Rudolph begleitet den Korso und sorgt dafür, dass an den Straßenübergängen und Kreuzungen kein Fan verlorengeht. "Wir sind ein paar neuralgische Punkte abgefahren, wo wir auch TeBe-Fans erwartet haben. Das hat ganz gut geklappt und es sind einige noch auf der Strecke dazugekommen." Die Fans können ihre Vorfreude kaum verbergen, denn ihr Verein war in der vergangenen Saison aufgestiegen - und vor allem dürfen sie nach einem halben Jahr wieder zurück auf die Tribünen. Gleich zwei Gründe zur Freude.

Hygienekonzept sieht 850 Fans vor

Zum ersten Heimspiel am Samstag gegen die BSG Chemie Leipzig sind, dank eines vom Verein ausgearbeiteten Hygienekonzeptes, 850 Fans im Mommsenstadion erlaubt. Bereits um 12 Uhr öffnen die Tore des Stadions, damit sich an den Eingängen keine Schlangen bilden. Hinweisschilder im Eingangsbereich weisen darauf hin, dass auf den Wegen und der Sitzplatztribüne ein Mund- und Nasenschutz getragen werden muss.

Um für genügend Abstand zwischen den Zuschauern zu sorgen, hatten am Freitagabend ehrenamtliche Helfer von Tennis Borussia das gesamte Stadion mit Klebestreifen und Kreidezeichnungen versehen. Die gelb-schwarzen und lila-weißen Markierungen lassen das Mommsenstadion auf den ersten Blick wie eine Kunstinstallation aussehen, erfüllen aber ihren Zweck. An den Toiletten und Essensständen stehen zudem Desinfektionssprays bereit. Samstagmorgen hatte das Gesundheitsamt die Spielstätte noch einmal geprüft und grünes Licht gegeben. Der Verein sei bestens vorbereitet.

Keine Gesänge - es "muss leider sein"

Aus den Stadionlautsprechern dröhnt "We're not gonna take it" von Twisted Sister, es riecht nach Grillgut und Rasen. Die Ränge füllen sich. Fast wie immer. Aber eben nur fast. Die vielleicht gewöhnungsbedürftigste, aber dennoch notwendige Neuerung lautet: Kein Rufen und keine Gesänge. TeBe hatte auf der eigenen Website bereits darauf hingewiesen. Zudem erinnert der Stadionsprecher wiederholt an die Einhaltung dieser Regel. Es "muss leider sein", sagt er.

Auf Twitter hatte ein Supporter vorgeschlagen, Fangesänge im Vorfeld als Sprachnotiz einzusingen und dann im Stadion abzuspielen. Eine kreative Idee, die aber keine Nachahmer findet. Dann folgt der Anpfiff. Regionalliga-Fußball im Mommsenstadion. Die Anhänger der Heimmannschaft klatschen rhythmisch und halten sich mit den sonst üblichen Gesangseinlagen bestmöglich zurück. TeBe-Fan Steffen begrüßt das, auch wenn es ihm ein Stück weit weh tut. "Es hat aber auch seinen Sinn und es ist gut so, dass hier im Block nicht gesungen wird."

"Ich finde es sehr gut, dass wir als Verein tatsächlich genau drauf achten, dass diese Corona-Bedingungen eingehalten werden", sagt auch Axel, langjähriger Anhänger der Lila-Weißen. Er denkt dabei besonders an diejenigen, die der Risikogruppe angehören. Trotz aller Rücksichtnahme lässt es sich der Großteil der Fans nicht nehmen, einige Entscheidungen des Schiedrichtergespanns mit einem kollektiven Raunen zu kommentieren. Die Gästefans, die sich über den offenen Kartenverkauf Tickets für das heutige Spiel gesichert hatten, stimmen hingegen einige Male Gesänge an. Sie sind auch ein wenig besser drauf. Zur Pause steht es schließlich 0:2 für Chemie.

Leitsysteme, Pinverkäufer, Anschlusstreffer

In der Halbzeit bewegen sich die Fans entlang der geklebten Lauflinien. Das Leitsystem funktioniert soweit, auch wenn der ein oder andere Fan aus dem Stehplatzbereich von den Ordnerinnen und Ordnern freundlich daran erinnert werden muss, für den Weg zum Getränkestand die Maske wieder aufzusetzen. Am Fanstand gehen Trikots und T-Shirts über die Theke. Nebenan hat sich ein Pinverkäufer positioniert, an dessen Verkaufstischen sich Leute sammeln. Verständlicherweise, schließlich ist die Bandbreite seines Angebots groß: Von Spandauer Kickers bis Real Madrid, oder Eintracht Oranienburg bis PSG.

Die Halbzeitpause hat den Spielern der Lila-Weißen anscheinend gutgetan. Sie präsentieren sich druckvoller als im ersten Durchgang, was von den Fans entsprechend honoriert wird. In der 55. Minute verkürzt Neuzugang Tahsin Cakmak mit einem Schuss vom Strafraumrand auf 1:2. Die Fans jubeln lautstark, untermalt von der schallernden Tormusik.

Trotz des energetischen Starts in die zweite Hälfte kann Tennis Borussia in der Folge nur wenig ausrichten. Vielleicht hat die zweite, verabredete Trinkpause auch ein wenig das Tempo aus dem Spiel genommen. Allzu gefährlich wird es nicht mehr vor dem Kasten der Leipziger. In der 81. Minute sorgt Mvibudulu für die Entscheidung, nachdem er TeBe-Keeper Jens Fikisi umkurvt hatte. Das 1:3 wird von den Gästefans euphorisch gefeiert, bis Spielende werden wieder Gesänge angestimmt. Ein anderes Verhalten wird nicht angemahnt. Dann ist Schluss im Mommsenstadion.

Überspringende Funken und gegenseitige Rücksichtnahme

Zwar ist die Heimpremiere missglückt, dennoch sind alle Beteiligten froh darüber, dass die Fans wieder Teil des Spieltages sein konnten. "Die Fans sind ja nicht nur für die Stimmung im Stadion zuständig, sie machen ja noch viel drumherum. Deswegen sind sie so wichtig", sagt Trainer Markus Zschiesche, der dafür sorgen will, dass die Mannschaft in Zukunft mit ihren Leistungen den Funken noch stärker auf die Ränge überspringen lässt. Auch Kapitän Nicolai Matt spricht nach dem Abpfiff von der Lust, "die Fans mit unserem Fußball zu begeistern" und die kommenden Heimspiele erfolgreicher zu gestalten.

Vorstandsmitglied Steffen Friede, der das Hygienekonzept mitentwickelt hat, ist zufrieden: "Im Großen und Ganzen haben alle untereinander auf sich Rücksicht genommen. Das war uns wichtig." Auch Christian Rudolph, der nach dem Fahrradkorso seinen Ordnerdienst angetreten hatte, ist glücklich. Zwar ist aus seinem Wunschergebnis nichts geworden, aber er hat sich gefreut, wieder dabei sein zu können. Das ist sicher nicht immer alles, aber in der jetzigen Zeit vielleicht schon.

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