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Je jünger, desto Labour

Der Wahlausgang in Großbritannien kommt nicht nur für Theresa May überraschend. Wie kam es dazu? Die wichtigsten Ergebnisse in Grafiken.

Für die Premierministerin ist das Ergebnis viel mehr als eine Enttäuschung. Es ist eine persönliche Niederlage. Die Labour-Partei ihres Widersachers Jeremy Corbyn hat den Konservativen in vielen Regionen Wahlkreise abgenommen. Nur in Schottland konnten Theresa Mays Tories einige Sitze hinzugewinnen.

Einer der Gründe für das gute Abschneiden Corbyns ist die höhere Wahlbeteiligung unter jungen Menschen. Sie hat dazu beigetragen, dass Labour Wahlkreise für sich gewinnen konnte, in denen zuletzt die Konservativen vorne lagen. Nach ersten Schätzungen gaben in der jüngsten Wählergruppe von 18 bis 24 Jahren 72 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme ab. Bei den vergangenen Parlamentswahlen lag die Wahlbeteiligung in dieser Gruppe viel niedriger, meist bei etwa 40 Prozent.

Beim Brexit-Referendum hatten 64 Prozent der jüngsten Gruppe abgestimmt. Viele Umfrageinstitute haben im Vorfeld der Parlamentswahl junge Stimmen systematisch weniger gewichtet, weil bei jungen Menschen generell eine niedrige Wahlbeteiligung erwartet wird.

Auch allgemein lag die Wahlbeteiligung etwas höher als 2015. Während vor zwei Jahren 66 Prozent aller Wahlberechtigten eine Stimme abgaben, waren es dieses Mal fast 69 Prozent, die höchste Beteiligung seit Tony Blair die Labour-Partei 1997 zu Sieg führte.

Einer Umfrage des Analysten Lord Ashcroft zufolge kamen die überraschenden Labour-Gewinne auch durch späte Wählerentscheidungen zustande. 57 Prozent der Labour-Wähler habe sich erst im vergangenen Monat für eine Partei entschieden, ein Viertel sogar erst in den Tagen vor der Wahl. Die meisten Konservativen gaben an, schon immer gewusst zu haben, wen sie wählen würden.

Im Vergleich zur letzten Wahl stärkt das Ergebnis beide großen Parteien. Sowohl die Labour Party als auch die Konservativen haben absolut gesehen Stimmen hinzugewonnen und die besten Ergebnisse seit den 1990er Jahren erreicht. Die Drittparteien haben allesamt Stimmen verloren.

In Großbritannien sind allerdings die absoluten Stimmen nicht ausschlaggebend. Im Mehrheitswahlsystem des Landes geht es darum, wer die Wahlkreise für sich entscheidet. Was die Sitzverteilung im Unterhaus angeht zeigt sich: 23 Wahlkreise, die bei der letzten Wahl an Konservative gegangen waren, haben diesmal Labour-Abgeordnete gewonnen. Vier bisherige Tory-Sitze gewannen die Liberaldemokraten. 82 Prozent der Tory-Wähler sind ihrer Partei seit 2015 treu geblieben.

Der Brexit ist nur für Konservative das wichtigste Thema

Beide großen Parteien konnten Überläufer von der Scottish National Party (SNP) für sich gewinnen. Die Konservativen gewannen in Schottland 13 Wahlkreise und erzielten damit ihr bestes Ergebnis seit 1983. Vor zwei Jahren hatte die pro-europäische SNP einen gewaltigen Sieg errungen und Labour 40 Sitze abgenommen. Bei dieser Wahl musste sie 21 Sitze wieder abgeben. Auch zu dieser überraschenden Wendung kann die Wahlbeteiligung beigetragen haben. In Schottland gingen weniger Menschen zur Wahl als vor zwei Jahren. Junge Schotten, die tendenziell nationalistisch wählen, könnten im Vergleich zu 2015 fern geblieben sein und so für die Verluste der SNP verantwortlich sein.

Die für die Konservativen erwarteten Zugewinne durch UKIP-Überläufer sind zwar eingetreten, fallen aber neben den hohen übrigen Verlusten nicht so stark ins Gewicht. Tatsächlich gaben 57 Prozent der Wähler, die 2015 für die UKIP gestimmt hatten, ihre Stimme für Mays Partei ab.

Der Brexit als Wahlkampfthema war nur für einen Teil der Wähler wichtig. Konservative und Liberal Democrats nannten in Befragungen als wichtigsten Grund für ihre Wahlentscheidung zwar mehrheitlich den Brexit. Unter Labour-Wählern gaben aber nur acht Prozent den EU-Austritt als Grund an, für ihre Partei zu stimmen. Für sie waren Themen wie Gesundheitspolitik (Stichwort "NHS" - National Health Service) und Haushaltskürzungen wichtiger.

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