Marie-Luise Braun

Journalistin, Dozentin, Autorin, Moderatorin, Reppenstedt/Lüneburg

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Ein Lastenrad - aber geht das auch kleiner, leichter, flexibler?

Das Yoonit-Team: Niels Römer, Pia Cohrs, Sebastian Adler und Johann Cohrs (von links). © Quelle: Marie-Luise Braun

Ein Lastenrad - aber geht das auch kleiner, leichter, flexibler?

Lastenräder sind breit, lang und sperrig? Nicht alle. Seit einiger Zeit gibt es sie auch kurz, schmal und wendig. In Hamburg und Köln sitzen zwei Firmen, die solche Räder entwickeln und bauen. Passend für den knappen Platz in Städten.

Marie-Luise Braun


„Das klappt nie", schreit das Gehirn und die Augen sehen die Wand gefährlich nahekommen. Aber das Yoonit zieht unbeeindruckt die enge Kehre, ohne die Wand zu touchieren, und biegt nach der Probefahrt unfallfrei in den Hof in Hamburg-Altona ein. Hier sitzt das vierköpfige Team, das seit zwei Jahren ein Lastenrad konstruiert und produziert, das nur 1,78 Meter lang ist. Zum Vergleich: Ein Babboe City misst von vorne bis hinten 2,55 Meter. „Das Yoonit ist das kürzeste Lastenrad, das es gibt. Es ist ein Mini-Cargobike", sagt Niels Römer.

Er ist einer der Menschen hinter dem Yoonit. Das Wort entspricht der Lautschrift von „unit", englisch für „Einheit": „Das Yoonit soll trotz seiner minimalen Abmessungen das Beste in sich vereinigen, was auch die großen Lastenräder können", betont Römer. Er und seine Kollegen Sebastian Adler sowie Pia und Johann Cohrs waren bereits vor der Gründung von Yoonit selbstständig. Als Grafiker, Designer, Fotograf, im Bereich Digitales. Über verschiedene Projekte kamen sie zusammen.

Den knappen Raum effektiv nutzen

Alle fuhren sie Lastenräder. Ende 2019 beschlossen sie, selbst eines zu kreieren, das genau ihren Vorstellungen entspricht. Mit dem Yoonit wollen sie dazu beitragen, den in Städten knappen Raum effektiv zu nutzen, und Menschen dabei unterstützen, auf ein Auto zu verzichten. Die ersten Yoonits wurden im März/April 2021 ausgeliefert. Für Niels Römer und seine Kollegen ist ein Wunschtraum in Erfüllung gegangen.

Das Umsteigen vom üblichen Stadtrad auf das Yoonit braucht kaum Gewöhnung. Das liegt vor allem daran, dass kein ultralanger Vorbau irritiert. Die Tragfläche sitzt direkt dem Lenker vor, sie endet über dem Vorderrad. Bei anderen Lastenrädern verlängert das Vorderrad die Maße zusätzlich. Die Yoonit-Tragfläche verfügt über drei Schnellspanner ( Unique Adapt System), mit dem die Carrier (Lastenaufsätze) schnell zu befestigen sind. So lässt sich das Rad schnell vom „Familienwagen" in einen Lastentransporter umbauen und bei Fahrten mit dem Zug ans Fahrradabteil anpassen: Ohne Lastenaufsatz lässt es sich an der Aufhängung befestigen wie ein Trekking- oder Stadtrad. Normalerweise ist die Mitnahme von Lastenrädern in der Bahn nicht erlaubt. Verboten ist die Mitnahme von „Fahrrädern oder Pedelecs mit festen Aufbauten für Lasten und/oder zum Transport von Kindern". Und beim Yoonit sind die eben abnehmbar.

Carrier für Kinder, Korb - und bald auch Hunde

Ohne Aufsatz und Motor wiegt das Rad knapp 20 Kilo, mit Motorisierung etwa 26 Kilo. Der Rahmen ist aus CrMo-Stahl. Die Ausstattung besteht bei der Schaltung aus Shimano Nexus Inter 5E und Riemenantrieb (Gates Carbon Drive). Gebremst wird mit der Magura CT Hydraulischen Scheibenbremse (2 Kolben). Die motorisierte Variante verfügt über eine Drive Unit von Shimano (EP8/85 Nm) und eine Batterie (BT-E8010). Das Fahrrad ist 178 Zentimeter lang, 62 Zentimeter breit, die Ladefläche bemisst je nach Aufsatz zwischen 65 und 78 Zentimeter Länge sowie 35 und 75 Zentimeter Breite. Fünf Carrier gab es bislang - beispielsweise Sitze für Kinder, eine einfache Ladefläche oder einen Transportkorb. Ab März 2023 gibt es neue Carrier, darunter einen für Hunde.

Das Yoonit ist ein europäisches Rad. Auch da passt der Name: Entwicklung, Marketing und Vertrieb sitzen in Hamburg, die Montage in Nordrhein-Westfalen, der Rahmen wird in den Niederlanden gebaut, die Herstellung der Carrier in Deutschland und europäischen Nachbarländern. Kurze Transportwege und gute Arbeitsbedingungen sind dem Yoonit-Team wichtig. Sie setzen auch hier auf Nachhaltigkeit.

Lastenrad von Muli

Auch die Gründer vom Muli wollten ein Fahrrad kreieren, das dem engen Raum in Städten besser gerecht wird, und: „Wir wollten ein Fahrrad haben, das mehreren Einsatzzwecken gerecht wird", sagt Felix Schön, zuständig fürs Marketing. Produziert wird das Muli seit 2016. 38 Mitarbeitende umfasst das Team. Die Firma sitzt in Köln. Hier soll das Rad in absehbarer Zeit komplett hergestellt werden, mit einigen Teilen läuft das bereits. Auch das Muli-Team setzt auf Nachhaltigkeit: kurze Transportwege, hochwertige Produktion, gute Arbeitsbedingungen, Familienfreundlichkeit und die effektive Nutzung knappen Raumes.

Mit einer Länge von 195 Zentimeter ist es knapp 20 Zentimeter länger als das Yoonit. Ohne Motor wiegt das Muli 24 Kilo. Die Transportfläche lässt sich zusammenklappen, sodass das Rad im leeren Zustand unterhalb des Lenkers (66 Zentimeter) lediglich 28 Zentimeter misst und leicht eingeparkt werden kann. Kunden loben in Fahrberichten, dass sie es in ihrem engen Keller ohne Weiteres unterbringen können. Sie heben auch die Wendigkeit und die Vielseitigkeit der Einsatzmöglichkeiten hervor. Erfahrenere Nutzende weisen allerdings darauf hin, dass die kleinen Reifen (vorne 16 Zoll, hinten 20 Zoll) bei der Fahrt durch Schnee und Eis Probleme machen können.

Gebaut ist der Muli-Rahmen aus Chrom-Moly-Stahl. Kunden und Kundinnen können das Rad nach Wunsch konfigurieren - beispielsweise bei der Schaltung zwischen Aline 8 (Standard) und Aline 11 (240 Euro Aufpreis) wählen. Standard sind die Akkuleuchte von Busch und Müller, wählbar sind aber auch Nabendynamos von Shimano oder Son. Für den Korb gibt es Zusatzausstattungen wie Arretierstange, Regenverdeck, Kindersitz. Bestellt werden kann auch ein Gepäckträger. Es kann eine Variante mit integriertem Motor (Antrieb: Shimano Steps e6100) bestellt werden, möglich ist auch die Nachrüstung (Antrieb: Pendix eDrive 300).

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