Marianne Quelle

Redakteurin, PR-Texterin, Moderatorin, Rosenheim

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Die neue StVO im Detail - gültig ab 28. April 2020

Lange diskutiert und sehnlich erwartet - die StVO-Novelle: Wo müssen Autofahrer zukünftig mehr aufpassen und was ändert sich für Fahrradfahrer?

Mit der neuen Straßenverkehrsordnung (StVO), die am 28. April 2020 in Kraft tritt, hatte sich das Bundesverkehrsministerium vorgenommen, Sicherheit und Komfort für Radfahrer deutlich zu erhöhen. Nach Einschätzung des Fahrradclubs ADFC ist das zum Teil gelungen, eine grundlegende Reform des Straßenverkehrsrechts stehe allerdings noch aus.

Das ändert sich für Radfahrer

Nebeneinander fahren ist erlaubt Die StVO-Novelle bekräftigt: Radfahrer dürfen zu zweit nebeneinander fahren - wenn sie die anderen Verkehrsteilnehmer dadurch nicht behindern. Solange genug Platz zum Überholen ist, ist keine Behinderung gegeben. Bislang lautete die Grundregel: Einzelne Fahrradfahrer dürfen nur hintereinander fahren; Nebeneinanderfahren - ohne die oben genannte Rücksichtnahme - war bis jetzt lediglich in Verbünden ab 16 Radfahrern möglich.

Nebeneinander fahren ist jetzt offiziell erlaubt.

Grünpfeil für den Radverkehr Mit der neuen StVO kommt als neues Verkehrszeichen der Grünpfeil für den Radverkehr. Es erlaubt das Rechtsabbiegen bei roter Ampel für Radfahrer nach vorherigem Anhalten. Entsprechende Verkehrszeichen sind bereits in Frankreich, Belgien und den Niederlanden zur Beschleunigung des Radverkehrs erfolgreich im Einsatz, dort sogar ohne Anhaltepflicht. Der schon bekannte Grünpfeil für den Autoverkehr gilt auch für den begleitenden Radweg, stellt die neue StVO klar.

Jeder darf im Lastenrad mitfahren Bisher war es in Deutschland lediglich erlaubt, Kinder in einem Lastenrad mitzunehmen. Diesem Verbot ging ein Gesetzesfehler voraus: In der StVO-Fassung von 1937 stand: „Auf einsitzigen Fahrrädern dürfen Radfahrer Personen nicht mitnehmen". Ausnahme: Kinder unter sieben Jahren. Bei der Neufassung 1970 wurde das Wort „einsitzig" schlicht vergessen. Nach Korrektur dieses Fehlers darf sind Rikschas und Lastenräder mit Beförderungsmöglichkeiten im Straßenverkehr nun legal erlaubt und jeder kann mitfahren. Einzige Voraussetzung: Das Lastenrad muss zur Personenbeförderung gebaut und für Mehrgewicht zugelassen sein sowie über eine entsprechende Sitzvorrrichtung verfügen.

Zukünftig darf jeder im Lastenrad mitfahren - nicht nur Kinder.

Gehwegradeln wird teuer Der ADFC weist seit Langem darauf hin, dass das Radfahren auf Gehwegen rücksichtslos und gefährlich ist. Gleichzeitig bekräftigt er die Forderung nach durchgängigen Qualitätsradwegenetzen, denn wenn Radfahrer auf Gehwege ausweichen, ist das oft auf fehlende oder schlechte Radinfrastruktur zurückzuführen. Das Bußgeld für regelwidriges Radfahren auf Gehwegen erhöht sich von 10 bis 25 Euro auf 55 bis 100 Euro. Gleiches gilt außerdem für die vorschriftswidrige Nutzung von linksseitig angelegten Radwegen und Seitenstreifen.

Das ändert sich für Autofahrer - in Bezug auf den Radverkehr

1,50 m Mindestüberholabstand ist Pflicht Beim Überholen von E-Scooter- und Radfahrern müssen Autofahrer einen Mindestabstand von 1,50 Metern einhalten. Außerorts sind es sogar zwei Meter. Was zuvor schon durch Gerichtsentscheidungen galt, ist jetzt ausdrücklich festgelegt. Bislang stand in der StVO, dass es sich um einen „ausreichenden Seitenabstand" handeln müsse. Die Anpassung des Gesetzestextes folgt damit bestehenden Gerichtsurteilen, die diesen Mindestabstand bereits seit den 1980er Jahren empfahlen (z. B. OLG Saarbrücken 3 U 141/79). Die Einhaltung des Seitenabstandes gilt übrigens auch, wenn man einen Radfahrer mit Anhänger überholt. Die neue Regelung gilt unabhängig davon, ob Radfahrer auf der Fahrbahn, auf „Schutzstreifen", Radfahrstreifen oder geschützten Radfahrstreifen („Protected Bikelanes") unterwegs sind. Faktisch bedeutet diese Regel ein Überholverbot an Stellen, die nicht die notwendige Breite haben. Nur wissen das die meisten Autofahrenden nicht, weshalb der ADFC eine Aufklärungskampagne zur neuen StVO sowie eine schnelle Entwicklung geeigneter Verkehrsüber-wachungstechnik fordert.

Mindestabstand beim Überholen: 1,50 m innerorts, 2 m außerorts

Höhere Bußgelder fürs Falschparken Wer mit dem Auto auf Geh- und Radwegen parkt, zahlt zukünftig zwischen 55 und 100 Euro, statt bisher 15 bis 30 Euro. Das gilt auch für das Parken und Halten in zweiter Reihe oder auf Straßenbahnschienen sowie für das unerlaubte Halten auf Schutzstreifen. Gemeint sind Fahrbahnmarkierungen für den Radverkehr mit gestrichelter Linie und Fahrradsymbol. Kraftfahrzeuge durften dort bisher maximal drei Minuten halten. Bei einer Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer droht zusätzlich ein Punkt in Flensburg.

Höhere Bußgelder für gedankenloses Abbiegen & Dooring Wenn Autofahrer ohne Schulterblick abbiegen oder die Tür aufreißen (auch Dooring genannt), kann das für Radfahrer tödlich enden. Deshalb steigen die Bußgelder für diesen Tatbestand deutlich. Autofahrer, die beim Abbiegen eine Person auf dem Rad gefährden, müssen mit einem Bußgeld von 140 Euro (bisher 70 Euro) rechnen - und einem Monat Fahrverbot. Wer beim Aussteigen unaufmerksam die Autotür öffnet und damit einen Radfahrer gefährdet, zahlt ebenfalls mehr: 40 statt 20 Euro.

Schrittgeschwindigkeit beim Abbiegen für Lkw Um Abbiegeunfälle zu vermeiden, dürfen Lastkraftwagen über 3,5 Tonnen beim Rechtsabbiegen innerorts dort, wo mit Rad- oder Fußverkehr gerechnet werden muss, nur noch Schrittgeschwindigkeit fahren. Das Schritttempo von 4 bis 7 km/h gibt dem Lkw-Fahrer mehr Zeit, die Abbiegesituation zu überblicken. Das Bußgeld für die Missachtung beträgt 70 Euro, dazu kommt ein Punkt in Flensburg.

Erweiterung des Parkverbots an Kreuzungen Das Parkverbot für Kfz an Kreuzungen mit baulichem Radweg wird von fünf auf acht Meter vom Fahrbahnkreuzungspunkt erhöht. Damit sollen Sichtbehinderungen und daraus resultierende gefährliche Situationen minimiert werden. Problemfelder bleiben aber die Kreuzungen ohne Radweg. Speziell Kinder bis acht Jahre, die auf dem Gehweg fahren müssen, werden weiterhin schlecht von Autofahrern wahrgenommen. Sie müssen deshalb laut Gesetz bei jeder Fahrbahnquerung absteigen und schieben - auch wenn sie von ihren Eltern begleitet werden. Ein Sicherheitswimpel am Kinderfahrrad zur Erhöhung der Sicherheit ist empfehlenswert.

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Fahrradzone - hier haben Radfahrende Vorrang Mit dem neuen Verkehrszeichen „Fahrradzone" ist es möglich, größere Bereiche nach den Regeln für Fahrradstraßen einzurichten. Hier haben Radfahrer Vorrang, Autofahrer sind dazu verpflichtet, hinter ihnen herzufahren. Erlaubtes Tempo für PKW: maximal 30 km/h.

Radschnellweg - hier geht es zügig und sicher voran Das neue Verkehrszeichen kennzeichnet den Beginn und Verlauf von Radschnellwegen, wie sie in vielen Metropolregionen derzeit geplant und gebaut werden. Radschnellwege sind breite, vom Autoverkehr weitgehend getrennte und idealerweise kreuzungsfreie Radvorrangrouten. Ideal beispielsweise für Pendler, denn auf Radschnellwegen kann man längere Strecken zügig und sicher zurücklegen.

Lastenrad - die neue Art des Transports Das neue „Lastenfahrrad"-Zeichen kennzeichnet extragroße Parkplätze oder spezielle Lieferzonen für Transport-Fahrräder.

Haifischzähne - hier müssen Autos abbremsen Wer oft in den Niederlanden unterwegs ist, kennt sie schon: die „Haifischzähne". Diese an Einmündungen auf die Fahrbahn gemalten Dreiecke zeigen mit der Spitze auf herannahende Autos - und signalisieren ihnen so die Vorfahrt des Radwegs.

Weitere Regelungen für Autofahrer

Temposünder müssen deutlich früher mit einem Fahrverbot rechnen. Einen Monat Fahrverbot gibt es bereits bei einer Überschreitung von 21 km/h innerorts sowie 26 km/h außerorts.

Ebenfalls einen Monat Fahrverbot bekommt, wer keine Rettungsgasse bildet oder unerlaubt durch diese fährt. Hinzu kommen ein Bußgeld zwischen 200 und 320 sowie zwei Punkte in Flensburg. Das Fahrverbot wird unabhängig von einer konkreten Gefahr oder Behinderung verhängt.

Wer keine Rettungsgasse bildet oder verbotenerweise durchfährt, zahlt : 200 - 300 Euro.

Für das sogenannte Auto-Posing - das Verursachen von unnötigem Lärm und einer vermeidbaren Abgasbelästigung etwa durch unnützes Hin- und Herfahren - fallen zukünftig statt bis zu 25 Euro bis zu 100 Euro Geldstrafe an.

Das Bußgeld für unberechtigtes Parken auf einem Schwerbehinderten-Parkplatz steigt von 35 auf 55 Euro. Ein Verwarngeld in gleicher Höhe gibt es für normale Autos, die auf einem Parkplatz für E-Autos stehen.

Das rechtswidrige Parken an engen oder unübersichtlichen Straßenstellen sowie im Bereich einer scharfen Kurve kostet zukünftig 35 Euro, statt 15 Euro. Für allgemeine Halt- oder Parkverstöße erhöhen sich die Bußgelder auf bis zu 25 Euro.

Weiterführende Informationen, Grafiken, Bilder und ein Booklet zum Download gibt es hier .

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