Für viele Kinder aus migrantischen Familien gibt es in Sachen Ausbildung nur zwei M glichkeiten: ein gut angesehenes Studium zu absolvieren oder zur Enttäuschung der Familie erklä
Von Maria Lovrić-Anušić, Fotos: Zoe Opratko
Ohne ein Studium bist du nichts " , diesen Spruch musste sich Mateo von seinen bulgarischen Eltern sein ganzes Leben lang anh ö ren. Was genau er studieren sollte, gaben sie ihm nicht vor. Allerdings hatten sie eine Anforderung - er solle einen Studiengang mit Prestige, wie beispielsweise Medizin oder Rechtswissenschaften, wählen. Ihrer Auffassung nach würde der heute 28-jährige nur so von seiner Umwelt respektiert und angesehen werden. Mateo selbst wollte nie studieren, denn Prestige und Ansehen waren für ihn immer nur nebensächlich. Die finanzielle Abhängigkeit von seinen Eltern ließ ihn allerdings einknicken. So kam es dazu, dass er vier Semester lang ohne jegliche Motivation Wirtschaftsrecht studierte. Sein Wunsch, eine Lehre zum Elektriker oder Installateur zu machen, wäre den Vorstellungen seiner Eltern sowieso nie gerecht geworden. Für sie stand immer fest, dass er auf gar keinen Fall „nur" eine Ausbildung absolvieren dürfe. Mateo begann jedoch, sich heimlich ein eigenes Leben aufzubauen. Um auf eigenen Beinen zu stehen und sein Studium endlich abbrechen zu k ö nnen, suchte er sich ohne das Wissen seiner Eltern einen Vollzeitjob in einem Büro für Projektmanagement und eine eigene Wohnung. „Natürlich war ich dann die Enttäuschung der Familie " , erzählt Mateo etwas zynisch über seinen Ausbruch aus den familiären Zwängen. Seine Eltern geben heute noch abfällige Kommentare zu seinem Abbruch ab, diese kümmern ihn allerdings nicht. „Sie sind sowieso zurück nach Bulgarien gezogen, also kann es mir eigentlich wurscht sein. "
Soziale Hierarchien und Unwissenheit
Sara musste eine Menge Überzeugungskünste an den Tag legen, um ihre Eltern endlich zu beruhigen und auf ihre Seite zu ziehen. Als sie verstanden, dass sie nach dem Studium in die Forschung gehen oder an der Uni lehren k ö nnte, waren sie endlich stolz. Heute kann Sara über die Geschehnisse und den Stress lachen. Damals war sie allerdings von Schuldgefühlen zerfressen und das nur, weil sie ihren eigenen Wünschen nachgegangen war.
* Alle Namen von der Redaktion geändert.
Die Fotos wurden nachgestellt. Es handelt sich auf den Bildern nicht um die Personen aus dem Artikel.
Kommentar von Autorin Maria Lovrić-Anušić