Opferberatungsstellen sprechen von "einer Dimension, die wir so noch nie erlebt haben", doch kaum jemand berichtet darüber.
Einschusslöcher in den Fenstern der Container-Wohnung eines Asylbewerbers, eine Eisenkette, die über das Gesicht eines Syrers gezogen wird, "Ausländer raus"-Rufe, die in einer Massenschlägerei vor einer Eisdiele münden. Nach den Vorfällen in Chemnitz vor zwei Wochen sind überall in Deutschland rechte Angriffe passiert, Menschen schlugen, traten, knüppelten auf Menschen ein, weil sie anders aussehen oder eine andere Meinung haben.
Allein in Chemnitz registrierte die Opferberatungsstelle des RAA Sachsen rund um den ersten Neonazi-Aufmarsch am 26. August sowie den vier folgenden Demonstrationen der nächsten sechs Tage 30 rechte Gewalttaten. Im gesamten letzten Jahr gab es in der Stadt nur 20 vergleichbare Angriffe. "Das ist eine Dimension, die wir so noch nie erlebt haben", sagt Robert Kusche vom Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt (VBRG) gegenüber VICE. Er befürchte, dass Neonazis besonders in rechten Hochburgen im Osten nun noch aktiver werden. "Chemnitz war für Mitglieder der rechten Szene ein Erfolgserlebnis. Es hat den Rechten gezeigt, dass sie auch ohne großen Widerstand aus der Zivilgesellschaft, Polizei und Politik aufmarschieren können und nur eine Gelegenheit brauchen, um ihre Gruppen zu mobilisieren."
Doch auch ohne direkte Anlässe, etwa Todesfälle wie in Köthen und Chemnitz, lebten rechte Gewalttäter in den letzten Wochen ihre Weltanschauung aus. Sie suchten sich Orte, an denen sie davon ausgingen, potenzielle Opfer oder Ziele ihrer Gewalt zu finden, zum Beispiel Flüchtlingsunterkünfte oder Restaurants jüdischer Besitzer. "Wir haben in kürzester Zeit bundesweit Angriffe in einer Intensität und Häufigkeit erlebt, die es so vorher nicht gab", sagt Kusche.
VICE hat 34 bereits ermittelte und mutmaßliche rechtsmotivierte und rassistische Angriffe in Deutschland zwischen dem 26. August und 11. September gesammelt, über die meist - wenn überhaupt - nur die Lokalpresse berichtet hat. Betroffene und Zeugen hatten Videos und Bildmaterial an Opferberatungsstellen und örtlichen Organisationen geschickt oder über Twitter verbreitet.
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