Die Sonne ist gerade untergegangen, aber ein Rest Tageslicht hängt noch in der Stadt, es mischt sich mit dem helleren Glanz von Straßenlaternen und Lichterketten. Der Kanal plätschert am Krokodil in der Gerberau vorbei. In den Restaurants auf der Insel balancieren bemundschutzte Bedienungen Bier und Wein auf Tabletts. Ein paar Meter weiter dringt ein dichter Teppich aus Stimmengewirr aus dem Feierling-Biergarten. Zwei Fahrräder klappern über's Kopfsteinpflaster. Auf dem Augustinerplatz sitzen Grüppchen, einige haben Füße und Getränke ins Bächle getaucht. Die Säule der Toleranz ist noch weitgehend grün und alles ist friedlich, alles ist gut, denn es ist Sommer in Freiburg und es fühlt sich fast normal an.
Freiburg war schon immer eine Draußen-Stadt. Klar, es gibt auch ein Theater, die UB macht architektonisch was her und zieht touristische Besuchergruppen, es gibt das Augustinermuseum und ein paar weitere kleinere. Aber wer in Freiburg lebt und Besuch von anderswo bekommt, der zeigt vor allem her, was es draußen so gibt: die schönen Straßen in der Altstadt, die diversen Wälder an allen Ecken der Stadt, die Aussicht von den Hügeln drumherum und mittendrin.
In Freiburg ist das Leben am besten, wenn das Leben draußen ist - sowieso, und in diesem Corona-Sommer besonders. Seit die Beschränkungen weiter zurückgefahren wurden, summt die ganze Stadt geradezu. Fast jedes Restaurant hat Wege gefunden, die Gäste draußen zu bewirtschaften. Plötzlich stehen überall Tische und Stühle - auf Flächen, die einmal Parkplätze waren, zum Beispiel, oder in der Innenstadt einfach am Rand der Fußgängerzone. Auch auf dem Augustinerplatz und dem Platz der Alten Synagoge, im Stadtgarten, im Seepark, auf der Sternwaldwiese und entlang der Dreisam - dort also, wo Draußensein umsonst ist - herrscht reger Betrieb und das ist einfach nur herrlich.
Wenn man den Sommer in Freiburg richtig angeht - mit ein paar guten Ideen und Entdeckerfreude - dann kann ein Sommer in Freiburg schon Urlaub in sich sein. Wohl dosiert an einem ganz normalen Feierabend, Kurzurlaub am Wochenende, ausgedehnt in den Ferien. Da bekommt "Heimaturlaub" eine ganz neue Bedeutung. Wer dieses Jahr nicht verreisen kann oder es sich (noch) nicht traut, der muss kein Trübsal blasen, denn Freiburg ist die perfekte Stadt für so einen Corona-Sommer.
Einfach ziellos in einem unbekannten Stadtviertel flanieren
Warum also nicht mal schon früh morgens Kybfelsen oder Schönberg erklimmen, wenn die Welt noch ganz still ist und dann zum Frühstück von oben runter schauen? Oder um den Schlossberg herum spazieren, entlang des Burghalderings, wenn es gerade geregnet hat, wenn noch Wasser von den Bäumen tropft und alles saftig grün ist, die Vögel zwitschern, die Luft moosig und klar und sauerstoffgeschwängert ist. Warum nicht mal einen Stadtteil entdecken, den man bisher nur vom Hörensagen und dem Straßenbahnfahrplan kennt, dort einfach ziellos durch die Straßen wandern und sich wundern, wie viele unentdeckte Ecken es praktisch direkt vor der Haustür noch gibt?
In heißen Wochen kann man jeden Tag zweimal Eis essen gehen ohne dabei eine Eisdiele doppelt zu frequentieren - gibt es überhaupt eine Stadt mit einer höheren Eisdielendichte als Freiburg? Mit Freunden an der Dreisam grillen, im Stadtgarten Federball spielen, im Baggersee schwimmen, einen Tagesausflug in den Schwarzwald unternehmen, abends auf einer improvisierten Parkplatz-Terrasse ein kühles Getränk genießen, während sich das letzte Sonnenlicht mit Straßenlaternen und Lichterketten mischt - das passt schon so, mit dem Heimaturlaub.
Und wer weiß, vielleicht machen bald doch noch alle Freibäder auf - das wär's.
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