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Spac: Ein Hauch von nichts

Mitten in der Corona-Krise gehen drei Männer ohne ein Produkt oder einen Cent Umsatz an die Börse. Und Investoren geben ihnen dafür sogar noch 300 Millionen Euro. Was wie ein Märchen klingt, ist Trend - nach den nun auch in Deutschland. Denn es handelt sich um einen neuen Weg, Start-ups schnell und einfach an den Kapitalmarkt zu bringen. "Wir sehen uns als eine Art Pioniere", sagt Ludwig Ensthaler, der mit Alexander Kudlich und Florian Leibert 468 Capital gegründet hat. Die Firma mit dem kryptischen Namen ist eine Unternehmenshülle, die seit Mai in Frankfurt gelistet ist, eine sogenannte Spac (Special Purpose Acquisition Company). Die Idee der Spacs ist: Sie gehen leer an die Börse, fusionieren aber nach einiger Zeit mit einem vielversprechenden Start-up, zum Vorteil beider. Das Start-up bekommt den Börsengang durch die Hintertür, die Investoren erhalten die Möglichkeit, nach der Fusion von steigenden Kursen zu profitieren.

Das Trio von 468 Capital ist in der Start-up-Szene bekannt. Florian Leibert gründete schon mit 15 Jahren seine erste Firma, um Online-Shops zu programmieren. Später entwickelte er mit zwei Freunden eine Software, die riesige Datenmengen verarbeitet und heute von Konzernen wie oder Netflix genutzt wird. Im Videogespräch mit der ZEIT schaltet der 38-Jährige sich aus seinem Wohnort San Francisco zu. Seine Kollegen Ensthaler und Kudlich, die sich aus Berlin melden, arbeiteten jahrelang im Vorstand des Berliner Unternehmens Rocket Internet, das als Wagniskapitalgeber in junge Unternehmen investiert.

Genau das ist auch heute noch Ziel der Unternehmer. Jetzt allerdings auf anderem Weg. Das Prinzip einer Spac funktioniert so: Die Unternehmenshülle verkauft bei ihrem Börsengang Anteile des Unternehmens an Anleger. In der Regel kostet eine Spac-Aktie zehn Euro. Das bei dem Börsengang eingesammelte Kapital wird dann auf ein Treuhandkonto eingezahlt. Bei 468 Capital sind das 300 Millionen Euro. Das Mantelunternehmen hat nun zwei Jahre Zeit, um ein Unternehmen zu finden, das es übernehmen möchte. Gelingt das nicht, muss es den Anlegern das eingesammelte Geld samt Zinsen wieder zurückzahlen.

Gelingt es doch, werden die Spac-Investoren Anteilseigner an dem Start-up, mit dem die Spac fusioniert. Sie verdienen, wenn später der Kurs der Firma steigt. Auch Kleinanleger können mitverdienen. Für sie ist es allerdings risikoreich: Denn sie wissen nicht, ob und mit welchem Unternehmen eine Fusion überhaupt klappt. Bei 468 Capital könnte das so ziemlich jedes Start-up aus der Tech-Branche sein. An der Wall Street, woher der aktuelle Trend kommt, etablierten sich daher auch die Begriffe "Blackbox" und "Wundertüte" für Spacs.

Amerika hat schon einige Monate Spac-Hype hinter sich. Jetzt schwappt die Sache auch nach Deutschland. Die Deutsche Börse erwartet bis zum Ende des Jahres bis zu zwölf Spacs auf dem Parkett. Den Anfang machte im Februar das Mantelunternehmen Lakestar Spac 1 des Skype- und Spotify-Investors Klaus Hommels. Ensthaler, Leibert und Kudlich zogen im Mai mit 468 Capital als zweiter Spac nach.

Das Trio will mit dem neuen Börsengang Geld verdienen - aber auch eine Alternative zu den eher mauen Kapitalquellen für junge Unternehmen in schaffen. "Neben dem klassischen Börsengang gibt es nur die Möglichkeit einer privaten Finanzierung", sagt Ensthaler. Im Vergleich zu den USA fehlten große Fonds im Technologiesektor, die jungen Unternehmen helfen. "Mit einer Spac schließen wir die Finanzierungslücke für Start-ups in Europa", sagt Ensthaler.

Für die beteiligten Start-ups geht es mit einer Spac vor allem schnell und unkompliziert an den Kapitalmarkt. Das zeigt sich am Beispiel des bayerischen Flugtaxi-Entwicklers Lilium. Das 2015 gegründete Unternehmen kündigte im März eine Fusion mit der amerikanischen Spac Qell Acquisition, angeführt von Ex-General-Motors Manager Barry Engle, an. Mit einem elektrisch angetriebenen, senkrecht startenden und landenden Siebensitzer, dem sogenannten Lilium Jet, überzeugte das deutsche Start-up die Spac. Auf Werbebildern wirkt das Flugtaxi zwischen pinken Wolken und malerischen Landschaften, als wäre es geradewegs dem Science-Fiction-Film Blade Runner entsprungen, in dem sich Menschen in fliegenden Autos fortbewegen. Ähnlich schön wie die Fotos sind die Umsatzprognosen: An einem Tag soll ein Jet bis zu 15.000 US-Dollar Umsatz generieren.

Wie funktionieren Spacs?

1. Gründung

Die Gründer eines Spacs finden sich zusammen und wenden sich meist erst einmal an professionelle Investoren, um viel Geld einzusammeln.

2. Börsengang

Die Spac geht als leere Unternehmenshülle an die Börse und kann dabei noch mehr Geld einsammeln. Auch Privatanleger können sich dann an einer Spac beteiligen.

3. Firmenübernahme

Die Spac sucht nun ein Unternehmen, das an die Börse möchte, häufig ein Start-up. Die beiden fusionieren - und im besten Fall steigt danach der Aktienkurs.

Angekündigte Investoren scheinen daran zu glauben: Unter ihnen sind große Namen wie der chinesische Tech-Konzern Tencent, die amerikanische Investmentgesellschaft BlackRock und die Allianz-Tochter Pimco. Das Unternehmen selbst ist zuversichtlich, das eingesammelte Geld auch auszugeben. "Bis zum Start sind wir finanziert und können uns auf Entwicklung, Produktion und Zertifizierung sowie den Aufbau unseres Ökosystems konzentrieren. Das ist schon eine erhebliche Erleichterung für Gründer wie meine drei Partner und mich", sagt Lilium-CEO Daniel Wiegand.

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