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Preise in Europa: Da stinkt doch was

Eine der großen Errungenschaften der Europäischen Union, so heißt es oft, ist der gemeinsame Binnenmarkt: für 500 Millionen Menschen aller Mitgliedsländer. Und der Wettbewerb sorgt lehrbuchmäßig dafür, dass die Preise sich angleichen. So weit die Theorie.

Doch einer Untersuchung des britischen Magazins Economist zufolge schwanken selbst innerhalb der EU die Preise für die gleiche Ware gewaltig: bei Elektronik um 20 Prozent, bei Kleidung sogar um 40 Prozent.

Auf Internetseiten wie GeizR oder MaxSpar können Verbraucher die Preise großer Online-Händler vergleichen. Von Kaffeevollautomaten, Luxus-Handtaschen und von Smartphones: So kostet eine Version des Samsung Galaxy S20 auf der deutschen Seite von 650 Euro, während Amazon auf seiner italienischen Website 888 Euro verlangt. Da stößt der Binnenmarkt der EU immer noch an Grenzen - anders als in den Vereinigten Staaten. Dort gibt es nur eine Amazon-Seite, und jedes Produkt hat den gleichen Preis, in Montana wie in Kalifornien.

Sind unterschiedliche Online-Preise innerhalb der EU zulässig? Eine Preisdiskriminierung ist laut der sogenannten Geoblocking-Verordnung illegal. Demnach ist es Anbietern untersagt, unterschiedliche allgemeine Geschäftsbedingungen für Waren und Dienstleistungen festzulegen. Anbieter dürfen auf ein und derselben Internetseite keine unterschiedlichen Nettopreise verlangen. Wenn beispielsweise ein Käufer mit französischem und ein anderer mit deutschem Wohnsitz auf der gleichen Internetseite einkaufen, dann müssen beide unabhängig von ihrem Wohnsitz die gleichen Preise angeboten bekommen, sagt Christophe Mitlehner, Jurist beim Europäischen Verbraucherzentrum Deutschland. Disneyland Paris beispielsweise verkaufte 2015 online Tagestickets für Deutsche und Briten teurer als für Franzosen, was strafrechtliche Konsequenzen nach sich zog.

kosten 172 Windeln in Großbritannien.

Amazon hingegen umgeht das Verbot der Preisdiskriminierung mit einem einfachen Trick: Der Konzern ordnet mehreren Ländern eine eigene Internetseite zu. Sechs sind es allein in der EU. Demnach gibt es bei Amazon keine einheitliche Internetseite, auf der unterschiedliche Nettopreise für die gleichen Waren angeboten werden - sondern mehrere unterschiedliche Websites. "Aus diesem Grund liegt auch kein Verstoß gegen die Geoblocking-Verordnung vor", sagt Mitlehner.

Amazon teilt mit: "Unsere Preise schwanken, damit wir den niedrigsten wettbewerbsfähigen Preis von anderen Händlern erreichen oder unterbieten können. Preise ändern sich nicht aufgrund des Standorts oder Kaufverhaltens eines Kunden. Verkaufspartner legen ihre eigenen Preise in unserem Store fest."

Wie komplex das Thema ist, lässt sich an einem einfachen Beispiel illustrieren. Windeln. Die Schwankungen sind enorm, zwischen 11 und 61 Cent kann eine Windel im weit verzweigten Reich von Amazon kosten. Besonders teuer ist es in Südeuropa. Bestellt ein Spanier auf der spanischen Seite eine Monatspackung Pampers mit 172 Windeln der Größe 4, kostet das 51,35 Euro. Auf der britischen Amazon-Seite sind es nur umgerechnet 21,83 Euro - weniger als die Hälfte. Kein Wunder, dass viele Sorten Pampers auf der britischen Website derzeit ausverkauft sind.

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