Mareike Thuilot

Freie Autorin, Journalistin und Online-Redakteurin, Köln

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Nachschub für die Wildnis

Thomas Ziegler mit Schützlingen: Vietnamesische Krokodilmolche

Artenschutz im Kölner Zoo - Teil 1: Lokale Initiativen

Gestapelte Plastikbehälter und Terrarien, Kabel und Rohre an der Decke, künstliches Licht und herumliegende Pipetten - wenig erinnert hier an die oberirdischen Ausstellungsräume des Kölner Aquariums, gegenüber dem Haupteingang vom Kölner Zoo. Thomas Ziegler, Professor für Zoologie, steht im Keller des Gebäudes und legt sich vorsichtig zwei Vietnamesische Krokodilmolche auf die Hand. Fast zärtlich betrachtet er die schwarzen Jungtiere.

Besucher bekommen die zu Erhaltungszuchtanlagen umgebauten Kellerräume in der Regel nicht zu sehen. Über 300 Tiere der stark bedrohten Salamanderart konnte das Artenschutzteam bereits nachzüchten, einige davon wieder nach Vietnam zurückschicken. „Wir sind die ersten, die diese Art zur Vermehrung gebracht haben", erzählt der Experte für die Amphibien und Reptilien Südostasiens.

Krokodilmolch im Keller


Mehr als hundert Arten hat Ziegler mit seinen Kooperationspartnern und Studenten bereits entdeckt und wissenschaftlich beschrieben. Im Keller lebt auch der Krokodilmolch Tylototriton ziegleri - von asiatischen Kollegen Zieglers nach ihm benannt. Damit keine Infektionskrankheiten eingebracht werden, dürfen Mitarbeiter nur mit Handschuhen und desinfizierten Schuhsohlen mit den Tieren arbeiten.

Seit 2003 leitet Ziegler das Kölner Aquarium, seit über zwanzig Jahren führt er mit dem Kölner Zoo Forschungs- und Artenschutzprojekte in Vietnam und seit neuestem auch auf den Philippinen durch. Seine Zoologie-Studenten, die häufig mit ihren Abschlussarbeiten die Artenschutzprojekte unterstützen, unterrichtet er in Schulungsräumen des Zoos.

Was viele Zoobesucher und auch -kritiker nicht wissen, da diese Arbeit hinter den Kulissen stattfindet: Der Kölner Zoo gehört mit mehr als 20 Projekten zum Schutz der Biodiversität und einer weltweiten Vernetzung mit Naturschutzeinrichtungen zu den Vorreitern in Sachen Artenschutz - schreibt der NABU auf seiner Webseite. „Da müssen wir viel lauter werden", sagt Ruth Dieckmann. Die Zoopädagogin ist unter anderem für die Beschilderung zuständig. Viele Besucher würden die Tafeln mit Hinweisen zu den Artenschutzprogrammen übersehen.

Reservepopulationen aufbauen

„Optimal ist natürlich der Artenschutz direkt vor Ort, also im Lebensraum", erklärt Ziegler. Doch auch der Aufbau sogenannter Reservepopulationen sei wichtig. Dabei werde eine bedrohte Art „ex situ", also außerhalb des Ursprungsgebiets, in einem oder besser noch in mehreren Zoos nachgezüchtet. Denn nicht immer reiche der Schutz vor Ort aus: Mangele es etwa an Tierhaltungsexpertise oder Geld oder seien Tierbestände durch Krankheiten, Naturkatastrophen, politische Unruhen oder Lebensraumverlust bedroht, dann könne man Tiere aus der Reservepopulation wieder auswildern, sobald die Bedingungen besser seien. Niemand wisse, „bei der wievielten aussterbenden Amphibienart das Ökosystem kippt", so Ziegler. Alles hängt miteinander zusammen. Und ist eine Art erst ausgestorben, dann ist es für Hilfemaßnahmen zu spät. Der Mensch habe außerdem eine ethische Verantwortung für den Schutz der Arten.

Tiere nicht aus der Wildnis entnehmen

Ein Zuchtbuchkoordinator managt die Reservepopulationen, indem er Daten zur Genetik und Verteilung der Tiere in Zoos und freier Wildbahn sammelt. So können Reservepopulationen sinnvoll europa- und auch weltweit in den Zoos geplant und aufgebaut werden. Auch für den eigenen Bestand benötigen Zoos Nachzuchten, denn spätestens seit dem 1973 verabschiedeten Washingtoner Artenschutzabkommen stand fest, dass Tiere nicht mehr zu Ausstellungszwecken der freien Wildbahn entrissen werden dürfen.

Die Kooperation mit vietnamesischen und philippinischen Kollegen finde auf Augenhöhe statt, so Ziegler. „Wenn wir zusammenkommen und unsere Expertisen bündeln, sind wir stark". In einem kurzen Videoclip auf dem Bildschirm in der Terrarienausstellung erklärt ein vietnamesischer Biodiversitätsforscher die Zusammenarbeit mit dem Kölner Zoo: „Unser Fokus liegt auf der Forschung, nicht auf der konkreten Tierhaltung, da haben wir nicht so viel Erfahrung. Umso wertvoller ist die Unterstützung des Kölner Zoos, das hilft uns wirklich sehr."

Nicht aus Nachzuchten, sondern aus behördlichen Beschlagnahmungen stammen 23 der Amphibien- und Reptilienarten im Aquarium. Sowohl bei solchen geretteten Tieren, als auch bei Reservepopulationen spielten genetische Analysen eine wichtige Rolle, sagt Ziegler. Denn oft unterschieden sich die Arten optisch nicht, stammten jedoch aus unterschiedlichen Regionen und an andere Lebensräume angepasst. So könnten etwa beschlagnahmte Schildkröten aus dem ganzjährig feuchten und heißen Südvietnam bei Wiederauswilderungen im kühleren Nordvietnam kaum überleben. Ein Großteil des Wissens über Wildtiere stammt aus der Forschungsarbeit an Tieren in menschlicher Obhut, auch, weil sie dort viel einfacher zu studieren sind.

Philippinenkrokodile in die Wildnis

Vom Philippinenkrokodil gebe es in freier Natur nur noch 90 bis 160 Exemplare, erklärt Anna Rauhaus, Reviertierpflegerin in der Terrarienabteilung. Zwei Jungtiere konnten bereits auf die Philippinen zurückgeschickt werden, drei weitere lassen sich aktuell noch im Kölner Gehege gemeinsam mit ihrer Mutter beobachten - die ihren Nachwuchs beschützt und nicht aus den Augen lässt. Ende des Jahres sollen auch diese Jungen ihre Reise in die Wildnis antreten, um die geschwächten natürlichen Bestände auf den Philippinen zu stärken.

Ein rein lokales Artenschutzprojekt erwartet Besucher am hinteren Ende der ersten Etage des Aquariums: In der Kölner Bucht geht der Bestand der Wechselkröte stark zurück. Die wenigen bestehenden Populationen sind meist voneinander abgeschnitten, sodass genetischer Austausch nicht mehr stattfindet. Der Zoo schafft neue Lebensräume und setzt mittlerweile jährlich bis zu 1500 im Zoo aufgezogene Jungkröten im Kölner Raum aus. Die Basis der Aufzucht bilden Kaulquappen, die die NABU-Naturschutzstation Leverkusen-Köln dem Zoo jedes Frühjahr zur sicheren Aufzucht übergibt, denn in der Natur haben sie in den austrocknenden Kleinstgewässern keine Chance. Und hier liegt auch das Problem: „Die Larven der Wechselkröte reagieren besonders empfindlich auf Umwelt-Faktoren wie den Klimawandel, erklärt Ziegler. Auch für Säugetier- oder Vogelarten gibt es viele Schutzprogramme und Experten im Kölner Zoo, unter anderem wurden die stark bedrohten Przewalskipferde in der Mongolei und in China ausgewildert.

Neben der zoologischen Forschung und Aufzucht von bedrohten Tierarten unterstützt der Zoo Auffangstationen und Lebensraum-Schutzmaßnahmen weltweit durch Geld, Personal und Know-How. Auch politisch hat die Arbeit der Kölner Artenschützer bereits Einfluss genommen: Viele bedrohte Arten wurden durch die Arbeit von Ziegler und seinem Team auf die Rote Liste der Weltnaturschutzunion aufgenommen. So können weitere Europäische Erhaltungszuchtprogramme (EAZA Ex situ Programme) in europäischen Zoos aufgebaut werden.


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