Marcus Creutz

Wirtschaftsjournalist & Rechtsanwalt, München

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Anwaltschaft: Die Ethik des Juristen

Tragen die Anwälte eine Mitverantwortung an der Entstehung der Finanzkrise? Darf ein Anwalt in ein- und demselben Auktionsverfahren mehrere Bieter vertreten? Sollte er gar das Mandat niederlegen, wenn ein Investor dem Zielunternehmen überzogene Kaufpreisverbindlichkeiten aufhalst und dadurch tausende Arbeitsplätze verloren gehen?

Diese und weitere brenzlige Fragen anwaltlichen Selbstverständnisses werden derzeit unter Rechtsexperten lebhaft diskutiert. "Ganz sicherlich ist es nicht richtig, wenn die Bankwirtschaft die Verantwortung für ihre Fehlleistungen nun auf ihre juristischen Berater abwälzt. Denn das Geschäftsmodell der ABS-Papiere und ähnlicher Produkte ist in der Bankwirtschaft und nicht in den Anwaltskanzleien konzipiert worden", sagt Martin Henssler, Professor und Direktor des Kölner Instituts für Anwaltsrecht. Richtig sei andererseits, dass man sich auch aus der Anwaltschaft eine deutlichere Warnung vor den Folgen dieser Entwicklungen und Produkte gewünscht hätte. "Denn die Risiken lagen für in diesem Bereich spezialisierte Berater auf der Hand", sagt Henssler. "Auch von Seiten der Verbraucheranwälte war leider insoweit wenig zu hören."

Unabhängig von der Finanzmarktkrise und ihren Folgen hat das Image der Anwälte in Deutschland nach Ansicht der Meinungsforscher während der vergangenen Jahre stark gelitten. In der Allensbacher Berufsprestige-Skala zählen die Advokaten neben den Politikern zu den größten Verlierern. Lag das Ansehen der Anwälte in der Bevölkerung bis Ende der 90er Jahre immerhin bei 37 Prozent, haben mittlerweile nur noch 27 Prozent der Bundesbürger besondere Achtung vor diesem Beruf. Zum Vergleich: Ärzte kommen auf eine Zustimmungsquote von 78 Prozent.

Bundesjustizministerin Brigitte Zypries attestiert der Anwaltschaft in der Bevölkerung gleichwohl ein hohes Ansehen. Damit stehe und falle auch das Vertrauen in eine starke Justiz, die für einen sozialen Rechtsstaat unverzichtbar sei. "Gerade deshalb ist es wichtig, auch über Fehlentwicklungen in den Reihen der Anwaltschaft zu diskutieren, die vor allem die Ethik der anwaltlichen Tätigkeit betreffen", sagte Zypries auf einer Feier anlässlich des fünfzigjährigen Bestehens der Bundesrechtsanwaltskammer in Berlin.

"Ich denke hier in erster Linie an die horrenden Abmahnkosten, die mehr Unrecht als Recht schaffen, oder daran, dass Strafverteidiger immer häufiger Fehler im Protokoll der Hauptverhandlung für wahrheitswidrige Revisionsrügen ausnutzen." Derlei schwarze Schafe schadeten dem Ansehen der Anwaltschaft. "Sie ist daher ihrerseits gut beraten, die Debatte über das Berufsethos ernsthaft zu führen - in ihrem eigenen Interesse genauso wie im Interesse der gesamten Justiz", fügte die Ministerin hinzu.

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