Marcel Richters

Onlineredakteur, Frankfurt am Main

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Wie kam es zu dem Börsencrash infolge des Coronavirus? Und welche Folgen sind möglich?

Seit dem 8. März sorgt das Coronavirus für Unruhe an den Börsen weltweit. Eine Wirtschaftskrise ist bereits jetzt nicht mehr abzuwenden. Doch wie kam es dazu?

Am Anfang des Börsencrash standen Coronavirus und Streit um den Ölpreis Im Börsencrash spielten Computer und Algorithmen eine zentrale Rolle Schon länger zeichnete sich ein möglicher Crash ab

Frankfurt - Die Börsen schlage Kapriolen und das Coronavirus grassiert in Europa - die Lage für die Wirtschaft ist nicht die beste und schon kommen erste Befürchtungen auf, dass Deutschland auf eine handfeste Wirtschaftskrise zusteuert. Aber wie hängen Corona und Börsencrash zusammen? Und welche Folgen können sich aus der aktuellen Situation für Arbeitnehmer ergeben?


So kam es zum Börsencrash durch den Coronavirus

Sicher ist: Der Börsencrash wird nicht ohne Folgen für die Wirtschaft bleiben. Ebenso sicher ist: Das Coronavirus ist einer der wichtigsten Faktoren für eine Wirtschaftskrise, aber nicht der einzige. Aber der Reihe nach. Auslöser für den aktuellen Einbruch war das Scheitern der Verhandlungen zwischen den großen Öl-Förderern. Diese wollten aufgrund der Corona-Pandemie ihre Fördermengen senken. Denn wenn die Wirtschaft langsamer läuft, weil mehr Menschen zuhause bleiben müssen und Firmen schließen, sinkt die Nachfrage nach Öl. Dem wollte die Organisation der erdölexportierenden Staaten (OPEC) entgegenwirken.


Russland, kein OPEC-Staat, aber wichtiges Förderland, sprach sich gegen eine Senkung der Fördermenge aus. Das war am Samstag, 06.03.2020, einen Tag vor dem Börsencrash. Daraufhin beschloss Saudi-Arabien als wichtige Fördernation, den Rohölpreis zu senken, um trotz der gesunkenen Nachfrage weitere Abnehmer zu finden. Andere ölfördernde Nationen gerieten unter Druck und mussten nachziehen, der Ölpreis beginnt zu verfallen.


Erster Dominostein des Börsencrashs waren Japan und China

Am Montag, 08.03.2020, öffneten die Börsen in Japan und China mit starken Verlusten. Denn der sinkende Ölpreis war ein Signal an die Börsen: Die Gefahr einer Wirtschaftskrise wegen des Coronavirus ist so ernst, dass sogar die Nachfrage nach Öl so stark sinkt, dass der Preis gesenkt werden muss. Hinzu kommt, dass viele vom Ölverkauf geförderte Staatsfonds wichtige Investoren sind. Katar ist beispielsweise wichtiger Anteilseigner der Deutschen Bank.


Außerdem sind Ölkonzerne große Werte in vielen Aktienindizes und nur ein hoher Ölpreis sorgt dafür, dass Fracking - eine inzwischen wichtige Fördermethode - lukrativ ist. Ölkonzerne können weniger Öl verkaufen, die teure Förderung lohnt nicht mehr, obwohl in Maschinen und Technologie investiert wurde. Diese Investitionen könnten verloren sein.


Automatischer Handel sorgt für Verselbstständigung des Börsencrash

All diese Faktoren sorgten für einen Preisverfall an den Börsen, der sich schnell zu einem Börsencrash verselbstständigte. Ein Großteil des Handels ist automatisiert. Computer erkennen, dass bestimmte Aktien weniger wert sind und „schlussfolgern", dass andere Aktien ebenfalls nicht mehr so viel wert sind, es kommt zu immer größeren Verkäufen. Dieser Trend setzte sich fort, als die Börsen in Europa, dann in den USA öffneten.

Was aber bedeuten die Verluste an der Börse für eine mögliche Wirtschaftskrise? Es sind nicht nur abstrakte Zahlen, die an der Börse abgebildet werden. Es handelt es sich bei Aktien um Anteile von Unternehmen, die mehr oder weniger wert sind. Der DAX beispielsweise fasst die 30 größten Unternehmen zusammen und bildet einen gewichteten Durchschnitt. Wenn Investoren davon ausgehen, dass der Gewinn dieser Unternehmen sinkt, verkaufen sie ihre Anteile. Die Börse ist also das „Fieberthermometer" der Wirtschaft.


Schnelle Sofortmaßnahmen gegen den Börsencrash

Der starke Ausschlag des Fieberthermometers deutet darauf hin, dass die Sorge groß ist, viele Unternehmen könnte längerfristig unter dem Coronavirus und einer Wirtschaftskrise leiden. Und je länger ein Stopp des öffentlichen Lebens andauert - und nach einer langen Zeit sieht es wegen der Gefahr durch Corona aus - desto schlimmer wird es.


Darum fordern viele Experten, beispielsweise des Internationalen Währungsfonds IWF, dass Staaten die Wirtschaft stützen. Das kann durch verschiedene Mittel passieren. In Europa ist ein gemeinsames erstes Rettungspaket von 25 Milliarden Euro geschnürt worden. Aber auch Zinssenkungen sind (meist) ein Weg, einer drohenden Wirtschaftskrise entgegen zu wirken. So können sich Unternehmen weiter Geld leihen, um Maschinen und Rohstoffe zu kaufen. Erst kürzlich hat die US-Notenbank den Leitzins auf in den USA nie dagewesene 0 Prozent gesenkt, trotzdem ging der Abwärtskurs an der Börse weiter.


Börsencrash lag schon länger in der Luft

Allerdings: Dieser Mechanismus wirkt schon seit dem letzten Börsencrash. Bereits jetzt verleihen Banken günstig und häufig Geld, das Risiko gerät aus dem Fokus oder wird gegen die erhofften hohen Zinsen hintenangestellt. Es ist eine Wette auf die Zukunft, dass die Unternehmen die Kredite irgendwann schon zurückzahlen werden. Netflix beispielsweise konnte sich mit umgerechnet mehr als 12 Milliarden Euro verschulden, da sich Investoren langfristig satte Gewinner versprechen und von den Zinsen profitieren wollen.


Wenn aber immer mehr Unternehmen infolge des Börsencrashs ihre Kredite nicht mehr bedienen können, könnte das zu einer echten Wirtschaftskrise führen. Denn ein immer größerer Teil der Schulden hat BBB-Status. Die Unternehmen, die diese Schulden aufgenommen haben, zeigen hohe Risiken für einen Zahlungsausfall, genauso wie hoch verschuldete Staaten*. Sollte dieses Risiko infolge der Krise weiterwachsen, könnten sie noch schlechter Geldgeber finden und würden weiter herabgestuft auf „Ramschniveau". Dann passiert, was einige Analysten bereits fürchten: Die „Schuldenblase", wie sie sich schon seit langer Zeit entwickelt hat, platzt.


Kurzarbeit und Entlassungen nach Börsencrash

Wie dieses Problem gelöst werden könnte, darüber lässt sich nur spekulieren. Unternehmen könnten versuchen, auf Kurzarbeit umzustellen. In einigen Branchen wie dem Gastrogewerbe gibt es bereits erste Entlassungen. In beiden Fällen würde aber die Kaufkraft in der Bevölkerung sinken, eine Abwärtsspirale beginnt. Denkbar wären auch Rettungen mit Steuergeldern, wie es bereits 2008 geschah und wie es Bundeswirtschaftsminister Peter Altmeyer (CDU) nicht mehr ausschließen will. Ob an anderer Stelle gespart würde und wie die weiteren Folgen wären, ist noch nicht absehbar.


So weit muss es nicht kommen, aber es wäre möglich. Vorerst bleibt nur, die aktuelle Lage aufmerksam zu beobachten. Eine aufziehende Wirtschaftskrise kann für viele Menschen weitreichende Folgen haben. Echten Einfluss darauf haben Einzelne nicht. Auf jeden Fall geht es in den nächsten Tagen weiter an der Börse, wohin auch immer.

Es gibt keine Pläne, die Märkte zu schließen. Im Gegenteil: Wir arbeiten mit voller Kraft daran, @xetra und den Frankfurter Parketthandel offen zu halten, auch wenn sich die Umstände weiter verschärfen sollten. Mehr dazu, wie wir mit der Situation umgehen: https://t.co/eexc2rQCGI pic.twitter.com/1fZ50KwNOW

- Börse Frankfurt (@boersefrankfurt) March 17, 2020

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