Marc Engelhardt

Korrespondent, Autor, Afrika-Analyst, Genf

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Interview

Klimaschutz? «Kein Grund für Optimismus»

Die gute Laune, die seit dem Auftakt des Klimagipfels in Lima herrscht, ist auch in der zweiten Woche nicht verflogen. Der Pessimismus nach dem spektakulären Scheitern der Klimakonferenz von Kopenhagen vor fünf Jahren scheint vergessen. Auch Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD), die an der Schlussphase der UN-Gipfels teilnimmt, gab sich zuletzt überzeugt, dass ambitionierte Klimaziele noch erreichbar sind. Doch nicht alle stimmen in den Chor der Zuversichtlichen ein.


Ulrich Hoffmann etwa, Experte für Klimafragen bei der UN-Konferenz für Handel und Entwicklung (Unctad), hält Optimismus für unbegründet. Er befasst sich seit Jahren mit den wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Erderwärmung. Ökonomisch sei es praktisch unmöglich, den Klimawandel auf die in Lima diskutierte Art und Weise aufzuhalten, sagt er - das zeige schon der Blick in die Geschichte. "In den letzten 30 Jahren haben wir den Treibhausgasausstoß pro Dollar produzierter Ware um 30 Prozent gesenkt", rechnet Hoffmann aus. "Wir müssten bis 2050 mehr als das Zwanzigfache schaffen - das ist alleine technologisch kaum vorstellbar."


Noch düsterer sieht es aus, wenn Hoffmann in seine Berechnungen miteinbezieht, dass Entwicklungs- und Schwellenländer sich weiterentwickeln werden und dazu Energie und Ressourcen benötigen. "Dann müssten wir unsere Kohlenstoffintensität pro Einheit des Bruttoinlandsprodukts um mehr als das Hundertfache verringern."Unctad ist eine der UN-Organisationen, die für das Recht auf Entwicklung kämpfen. Auch Hoffmann tut das. Doch Entwicklung, sagt er, kommt ohne neue Emissionen nicht aus. Und selbst eine "grüne" Wirtschaft in den Industrieländern spare nicht unbedingt Emissionen ein.


"Wenn Sie Ihr Haus dämmen, dann verbrauchen Sie danach tatsächlich weniger Energie als vorher", sagt Hoffmann. "Doch das eingesparte Geld müssten Sie dann unter dem Kopfkissen liegen lassen - wenn Sie mit dem Ersparten stattdessen eine Urlaubsreise unternehmen, erzeugen Sie neue Emissionen, womöglich sogar mehr als Sie sonst erzeugt hätten." Das gleiche gelte für Unternehmen, die Profite erneut investieren oder anders anlegen - was mikroökonomisch Sinn macht, kann makroökonomisch schädlich sein.


Der Ökonom Hoffmann glaubt, dass ein in Lima ausgehandeltes Abkommen bestenfalls dafür sorgen kann, Wirtschaftswachstum und den steigenden Ausstoß von Klimagasen relativ zu entkoppeln. Das ist gut, aber nicht gut genug, um die Erderwärmung unter zwei Grad zu halten. Dafür bräuchte man einen deutlich fallenden Rückgang der Treibhausgasemissionen - und zwar in absoluten Zahlen und in einem sehr kurzen Zeitraum. Und so fordern auch andere Experten, den Fokus der Klimakonferenzen von Einsparzielen in Richtung Anpassungsmaßnahmen zu verschieben.


Das UN-Umweltprogramm Unep hat in einer gerade vorgestellten Studie berechnet, dass in Entwicklungsländern schon jetzt bis zu 300 Milliarden US-Dollar jährlich für den Schutz vor den Folgen des Klimawandels benötigt werden - bis zu drei Mal mehr als bisher vermutet. Zugesagt ist bisher erst ein Bruchteil, knapp mehr als 25 Milliarden US-Dollar. "Wir müssen eine ehrlichere Debatte über die ökonomischen Folgen unseres Umgangs mit dem Klimawandel führen", fordert Unep-Chef Achim Steiner. Unep zufolge könnten die Kosten für Anpassungsmaßnahmen bis 2050 auf jährlich 500 Milliarden US-Dollar steigen, selbst wenn die Treibhausemissionen ernsthaft zurückgefahren werden.


"Manche Anpassungsmaßnahmen reduzieren zugleich den Treibhausgasausstoß, das ist dann doppelt gut", erläutert Hoffmann. Beispiel Landwirtschaft: Kleine, ökologisch ausgerichtete Höfe können ihre Wirtschaft flexibler an neue Klimabedingungen anpassen. Zugleich sparen sie - etwa durch den Verzicht auf Kunstdünger oder Maschineneinsatz - CO2 ein.


Dass in Lima ein Abkommen ausgehandelt wird, das in Paris 2015 unterzeichnet werden kann, daran glaubt auch Ulrich Hoffmann. Doch der Experte zweifelt daran, dass der Vertrag große Fortschritte im Kampf gegen die Erderwärmung bringt. Viele Ursachen des Klimawandels, etwa in der Landwirtschaft, werden darin wohl nicht berücksichtigt sein. Auch Klimaschützer in Lima warnen bereits, dass der Optimismus in den Anden bald mehr Realismus weichen muss.