Marc R. Hofmann

Redakteur & Reporter, Berlin

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Studie zu Polizeirassismus: Weitere Bundesländer machen mit

Mehrere Bundesländer wollen eine Untersuchung rechtsextremer Tendenzen bei der Polizei anstoßen.

Berlin. Nach Sachsen-Anhalt wollen nun weitere Bundesländer an einer Studie teilnehmen, die rechtsextremistische Tendenzen bei der Polizei untersuchen soll: Berlin, Bremen, Hamburg und Thüringen unterstützen nach Sachsen-Anhalt den Vorstoß des niedersächsischen Innenministers Boris Pistorius (SPD). Auch die Gewerkschaft der Polizei begrüßt die Debatte. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) verweigert sich seit Wochen und trotz gehäufter rechtsextremer Vorfälle unter Polizisten einer solchen Studie - ist aber auch nur für die Bundespolizei zuständig.

„Berlin wird sich auf jeden Fall beteiligen", sagte Tino Brabetz von der Senatsverwaltung dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Auch in Bremen ist man für den Ansatz offen, wie es aus der Innenbehörde der Hansestadt heißt: „Wenn möglich, allerdings gemeinsam mit anderen Bundesländern", sagte eine Sprecherin dem RND. Das sieht auch Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) so: „Ich habe die Notwendigkeit der Studie schon mehrfach unterstrichen und auch für Thüringen befürwortet. Mein Ziel ist nach wie vor eine deutschlandweite Studie, die unter Einbeziehung der Berufsvertretungen erstellt wird, um zu erheben, wie wir die Polizei unter demokratischen Gesichtspunkten stärken können."

In Hamburg bereitet die Akademie der Polizei selbst eine Untersuchung vor, die sich breit angelegt mit dem Menschenbild, der Haltung, den Werten und der Radikalisierungsgefährdung in der Sicherheitsbehörde befassen soll. „Diesen Ansatz unterstützt der Senat ausdrücklich", sagte Pressesprecher Frank Reschreiter.

Anstoß kommt von Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius

Den Stein ins Rollen gebracht hatte Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius. Er will möglichst kurzfristig eine Analyse des polizeilichen Alltags anschieben, wozu Wissenschaftler die Beamten im Dienst begleiten sollen. Zudem soll langfristig untersucht werden, wie demokratiefest die Polizisten sind. Einen entsprechenden Vorschlag will er seinen sozialdemokratischen Ministerkollegen bei einem Treffen am 26. Oktober in Braunschweig machen und dafür auch auf der Innenministerkonferenz mit Kollegen aus allen Bundesländern Anfang Dezember werben.

Der Thüringer Maier hält es mit Blick auf die jüngsten Entwicklungen für entscheidend, das weitere Vorgehen unter den Ländern abzustimmen. „Ich werde mich auch als Vorsitzender der Länderkonferenz für eine bundeseinheitliche Lösung einsetzen", sagte er auf Anfrage des RND. Hintergrund sind unter anderem unberechtigte Abfragen von Personendaten in Hessen, rechtsextreme Chatgruppen in Nordrhein-Westfalen und - wie jüngst bekannt wurde - Vorfälle in Sachsen-Anhalt, wo ein Imbiss in der Bereitschaftspolizei „Jude" genannt wurde.

SPD-Amtskollegen unterstützen Vorhaben

Der Vorstoß des Niedersachsen stieß dabei auf Zustimmung bei seinen SPD-Amtskollegen sowie bei Bundesjustizministerin Christine Lambrecht, ebenfalls SPD. In Hamburg wolle man die Studie jedoch nicht auf das Thema Rassismus verengen, so Sprecher Reschreiter, sondern das Thema breiter fassen.

Schleswig-Holsteins Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack wartet nach eigenen Angaben weiter auf einen konkreten Vorschlag aus Niedersachsen, CDU-Kollege Lorenz Caffier aus Mecklenburg-Vorpommern sieht wie CSU-Bundesinnenminister Horst Seehofer keine Notwendigkeit dafür. Beide Minister wehren sich gegen eine damit verbundene latente Unterstellung eines pauschalen Rassismus bei der Polizei, so die Politiker.

Widerstand im konservativen Lager bröckelt

Dennoch bröckelt der Widerstand auch in anderen christdemokratisch geführten Innenministerien. Bereits vorige Woche hatte NRW-Innenminister Herbert Reul bekannt gegeben, eine Untersuchung konkreter Probleme bei der Polizei zuzustimmen. Eine Studie sei aber keine „Zauberlösung". Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht war am Montag der erste CDU-Minister, der den Vorschlag von SPD-Mann Pistorius unterstützte.

Unterdessen begrüßt die Gewerkschaft der Polizei (GdP) die Debatte. Bereits Ende September habe sie eine „Untersuchung des Polizeialltags" gefordert. Das sei ob der vielen Fälle erforderlich, erklärte GdP-Bundesvize Jörg Radek auf RND-Anfrage: „Defizite einzuräumen, zeugt von Größe. Sie zu überwinden, zeugt von Stärke." Die Polizei habe beides. Dazu brauche es jedoch Strukturen in den Dienststellen, die die Kollegen ermutigten, Verfehlungen offen anzusprechen. Die Belastungen des Dienstalltags seien dabei keine Rechtfertigung für Rassismus- und Extremismusgedanken.

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