Marc R. Hofmann

Redakteur & Reporter, Berlin

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Unruhe beim Autozulieferer: Welchen Weg wählt Bruss?

Das Werksgelände des Automobilzulieferers Bruss am Stammsitz in Hoisdorf Foto: Marc R. Hofmann

Das Familienunternehmen aus Hoisdorf prüft Fusion oder Verkauf. Betriebsrat fordert Informationen über Pläne vor dem Arbeitsgericht ein

Hoisdorf. Die Geschäftsleitung des Hoisdorfer Automobilzulieferers Bruss prüft Optionen zum Verkauf des Unternehmens. Das hat Geschäftsführer André Ralfs auf Anfrage des Abendblattes bestätigt. Ralfs sagt: "Unsere Überlegungen sind aber ergebnisoffen. Es könnte auch zu einer Fusion mit einer anderen Firma kommen. Oder es bleibt vorerst alles beim alten."

Das Handelsblatt hatte erst kürzlich darüber berichtet, dass die Hoisdorfer die Deutsche Bank damit beauftragt hätten, nach einem Käufer für das Unternehmen mit mehr als 2500 Beschäftigten zu suchen. Gegenüber dem Abendblatt schränkt der Geschäftsführer ein: "Es handelt sich lediglich um eine Sondierung des Marktes." Nach Angaben der Wirtschaftszeitung hat das Unternehmen mit dem Hauptsitz in Stormarn einen geschätzten Wert von rund 600 Millionen Euro.

Die Firma fertigt Dichtungen für Motoren und Getriebe

Die Bruss Sealing Systems GmbH, wie das Unternehmen vollständig heißt, erwartete nach eigenen Angaben für das Jahr 2016 einen Gewinn von 66,5 Millionen Euro vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen. An Standorten wie in Brandenburg, Thüringen und in Spanien, Polen und den USA arbeiten nach Unternehmensangaben mehr als 2500 Menschen. Allein in Hoisdorf sind es an der Schultwiete in Sichtweite von Dorfteich und dem Anwesen der Eigentümerfamilie Bruss fast 500. Hier wie dort werden Dichtungen für Motoren, Getriebe und Achsen gefertigt.

Hoisdorfs Bürgermeister Dieter Schippmann weiß von den Bruss-Plänen. "Die Geschichte kenne ich natürlich auch", so der Ortspolitiker der Dorf-Gemeinschaft Hoisdorf (DGH). Er treffe sich regelmäßig mit Eigner Oliver Bruss. Das letzte Gespräch liege erst wenige Wochen zurück. Schippmann: "Danach bin ich beruhigt nach Hause gegangen." Weniger beruhigt ist offenbar der Bruss-Betriebsrat. Er hat mit Unterstützung der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) vor dem Arbeitsgericht Lübeck nach Gewerkschaftsangaben durchgesetzt, dass ihn die Firmenleitung über den Verhandlungsstand informieren muss.

Gewerkschaftssekretär Eckehard Sieg sagt: "Im Beschlussverfahren ist zu Protokoll genommen worden, dass Bruss den Wirtschaftsausschuss des Betriebsrates informieren muss, sobald es einen ernsthaften Interessenten gibt." Wann ein Interesse als erntshaft zu bezeichnen ist, könne im Zweifel jedoch nur ein Gericht klären. "Anders haben wir von dem Unternehmen leider keine Informationen bekommen", kritisiert der Gewerkschafter. Nun wollen die Arbeitnehmervertreter noch durchsetzen, dass ihnen juristischer Beistand und ein Wirtschaftsprüfer zur Seite gestellt werden. Letzterer soll den Wert des Unternehmens und seiner Bestandteile unabhängig taxieren. Sieg: "Das ist wichtig, damit keine Werte entzogen werden und ein Rumpfunternehmen dann in die Insolvenz geschickt wird."

Gewerkschaft und Unternehmen hatten erst in der vergangenen Woche einen neuen Tarifvertrag unterzeichnet. Rückwirkend ab Juli erhalten die Mitarbeiter 2,8 Prozent mehr Lohn, die Laufzeit beträgt zwölf Monate. "Als wir von einem möglichen Verkauf gehört haben, haben wir erst einmal unsere Strategie umgestellt", sagt Sieg. Die Geschäftsführung habe der Gewerkschaft gegenüber angedeutet, dass ein Verkauf nach Umwandlungsgesetz wahrscheinlich sei. Danach hätten die Mitarbeiter lediglich Informationsrechte, aber keine Beschäftigungsgarantie. Deswegen habe die Gewerkschaft auf eine kürzere Laufzeit ohne Staffelung der Lohnerhöhung hingewirkt, da ein möglicher neuer Eigner bei dieser Verkaufsform nicht mehr an den Tarifvertrag gebunden sei.

Gewerkschafter Sieg sagt aber auch: "In einem Verkauf oder einer Fusion kann auch eine Chance liegen". Mit einem für das Jahr 2016 erwarteten Umsatz von 336 Millionen Euro gehöre das Familienunternehmen zu den kleineren Wettbewerbern auf dem umkämpften Markt der Autozulieferer. Zudem sei die Firma bisher abhängig von der Zukunft von Verbrennungsmotoren. "Über kurz oder lang wird es gesetzliche Regelungen geben, die den Einsatz verbieten, wie es sie heute schon in China gibt." Da könne das Stemmen nötiger Investitionen mit einem stärkeren Partner auch im Sinne der Mitarbeiter sein. Seiner Einschätzung nach sei das Unternehmen gut aufgestellt und betriebswirtschaftlich "hart, aber solide" geführt.

Nach Schichtende vor dem Werksgelände angesprochene Mitarbeiter wissen anscheinend nichts von einem möglichen Verkauf. "Das interessiert mich auch nicht", sagt einer, der sich seines Arbeitsplatzes nach eigenem Bekunden sicher ist. Zwei Männer, die das Gelände mit Rucksäcken verlassen, sprechen von einem guten Betriebsklima. Und eine Frau, die gerade auf ein Fahrrad steigt, sagt nur so viel: "Das sind Interna."

Gleiches gilt auch für den Betriebsratsvorsitzenden Michael Molleker. "Aus Rücksicht auf das laufende Verfahren", wie er dem Abendblatt gegenüber sagt. Die Geschäftsführung rechnet mit einem Ergebnis der Sondierung in den nächsten Monaten.


Marc R. Hofmann


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