Aufgaben:
Redaktion, Animation, Produktion
Text:
Hauwa Shakir zieht letzte Fäden an ihrem Kleid. Die Modedesignerin lebt in Abuja, der Hauptstadt Nigerias, und hat sich dort ein kleines Geschäft aufgebaut. Wie viele Menschen im Land ist Shakir auf den öffentlichen Personennahverkehr angewiesen.
Neben Bussen nutzen die Menschen in Nigerias Großstädten vor allem Taxen, Rikschas und Ridesharing-Angebote wie Bolt und Uber. Doch es kommt immer wieder zu Übergriffen: Frauen werden auf ihren Fahrten sexuell belästigt, ausgeraubt oder angegriffen.
Das Unternehmen HerRyde bietet nun eine sichere Alternative. Wie bei anderen Ridesharing-Angeboten buchen die Fahrgäste ihre Tour über eine App. Der Unterschied: Nur Frauen können den neuen Dienst in Anspruch nehmen. Auch am Steuer sitzen ausschließlich Frauen. Als zusätzliche Sicherheitsfunktion können Passagierinnen über die App ihre Route in Echtzeit an Freunde und Verwandte schicken. Hauwa Shakir ist dankbar für diesen Service.
Hauwa Shakir, Modedesignerin: "Ich habe bei anderen Fahrten schreckliche Erfahrungen gemacht. [...] Natürlich hat man Angst, wenn sie [die Fahrer] Männer sind und du das Gefühl hast, dass sie dich angreifen wollen oder sie komische Gespräche mit dir führen, in denen sie versuchen, unnötig persönlich zu werden."Dass Angebote wie HerRyde dringend benötigt werden, spiegelt ein gesellschaftliches Problem im Land wider: Die Zahl an sexuellen Übergriffen steigt in Nigeria seit Jahren an. Allein im Jahr 2020 gab es laut Amnesty International 11.200 offizielle Fälle von Vergewaltigungen von Frauen und Missbrauch von Minderjährigen. Die Organisation geht jedoch davon aus, dass viele weitere Übergriffe wegen gesellschaftlicher Stigmatisierung, Korruption und Opferbeschuldigungen gar nicht erst gemeldet werden.
Die Lage ist derart dramatisch, dass die nigerianische Regierung sexuelle Gewalt als nationale Krise bezeichnet hat - auch als Antwort auf den Tod der 22-jährigen Studentin Vera Uwaila Omosuwa, die im Mai 2020 in einer Kirche in Benin City vergewaltigt und ermordet worden war. Unter dem Schlagwort "JusticeforUwa" demonstrierten, wie hier in der Hauptstadt Abuja, Tausende Menschen für mehr Gerechtigkeit und gegen sexuelle Gewalt.
So rückt das Thema Gewalt gegen Frauen und Frauenrechte mehr in den öffentlichen Diskurs, wie auch die Gespräche auf Woman Radio WFM 91.7 zeigen. Der im Jahr 2015 gegründete Radiosender ist der erste nigerianische Sender von Frauen für Frauen. In dem Format "adult conversations " etwa spricht Moderatorin Soomto Ajanma mit ihren Zuhörerinnen über häusliche Gewalt, sexuelle Übergriffe und weibliche Perspektiven in Nigeria.
Soomto Ajanma, Radiomoderatorin von WFM 91.7: "Ein Punkt, auf den wir immer wieder hinweisen, ist die Tatsache, dass wir diese Gespräche führen, [...] die normalerweise nicht geführt werden, und dass wir all diese Rückmeldungen von Leuten bekommen, einfach weil wir uns zu Wort melden und dieser Stimme, dieser weiblichen Stimme, die sonst nicht gehört wird, Gehör verschaffen."Wie nötig solche Angebote für Frauen sind, zeigt auch die Nutzung von HerRyde. Laut Angaben des Unternehmens wurden im ersten Monat 500 Fahrten gebucht. Zehn Fahrerinnen arbeiten bereits für den Fahrservice. Geschäftsführerin Monsurah Alli-Oluwafuyi bietet damit Frauen auch neue Berufschancen:
Monsurah Alli-Oluwafuyi, Geschäftsführerin von HerRyde: "Wenn man sich die Statistiken auf der ganzen Welt anschaut, gibt es nur sehr wenige Frauen, die für diese Ridesharing-Apps als Fahrerinnen arbeiten. Wir wollen also integrative Möglichkeiten für Frauen schaffen."Momentan wird der Service nur in der Hauptstadt Abuja angeboten. Das Unternehmen will ihn in Zukunft aufs ganze Land ausweiten. HerRyde könnte somit eine wichtige Komponente im Kampf gegen sexuelle Gewalt in Nigeria werden - auch wenn sich bei Weitem nicht jede Frau eine Taxifahrt leisten kann und viele weiterhin auf den Bus oder Sammeltaxen angewiesen sein werden.