Madeleine Londene

Freie Journalistin, Augsburg & Berlin

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Eine von Vielen

An einer Waldorfschule wurden Schüler über Jahre hinweg systematisch missbraucht. Doch Lehrer, Eltern und Schulleitung schauten weg.


Hinter der gelben, bröckelnden Fassade nimmt ein Mann Abschied. Ein letztes Mal 

sitzt Fabian Stoermer in dem schwarzen Bürostuhl, der bald seinem Nachfolger gehört. Bienenwachskerzen stehen auf der Fensterbank, Bilder von Engelsstatuen hängen an der Wand. Über dem Schreibtisch, direkt vor Stoermers Gesicht, baumelt ein silbernes Senkblei. »Es zeigt, ob Dinge im Lot sind«, sagt er und streift mit beiden Händen die Falten aus seiner weißen Hose.


15 Jahre lang war Stoermer Direktor an der Waldorfschule in Schwäbisch Hall. Einige Tage zuvor, im August 2021, hat er seine Kündigung eingereicht. Kurz nachdem ein Lehrer, der unter seiner Leitung unterrichtete, wegen sexuellen Missbrauchs verurteilt worden war. Er gehe nicht aus Angst, betont Stoermer. Sein Rücktritt habe nichts mit den Vorfällen zu tun. »Es ist wichtig, dass eine Institution zeigt, dass etwas schiefgelaufen ist«, sagt er. Deshalb möchte er reden.


Stoermer lehnt sich nach vorn, auf seinem runden Gesicht sitzt eine rahmenlose Brille, er lächelt unentwegt. Während seiner gesamten Schulzeit habe er von keinem einzigen Übergriff etwas mitbekommen. Von keinem seiner Lehrer. Deshalb habe er auch nichts unternehmen können. 


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Mehr in: Zeit Verbrechen, Ausgabe 17/22 oder unter ZEIT online: https://www.zeit.de/zeit-verbrechen/2022/17/waldorfschule-sexueller-missbrauch-schwaebisch-hall

Foto: @ Paulina Hildesheim


https://shop.zeit.de/die-zeit-und-magazine/zeit-verbrechen/8015/zeit-verbrechen-17/22