Ich lehne an einer Laterne. Straßenlärm, die Rolltreppe entlässt schwarz gekleidete Jugendliche mit geöffneten Glasflaschen in den Abend, auf der anderen Straßenseite wiegt eine Frau vor einem Supermarkt in der Abendsonne eine Wassermelone in ihrer Hand, legt sie unzufrieden zurück, nimmt eine andere, das Türsignal der Berliner S-Bahn drängt zum Einsteigen, da höre ich hinter mir eine Stimme: "Bist du hier der blonde Alman?". Eine junge Frau mit tiefen Augenringen steht hinter mir. Verdutzt antworte ich: "Kann schon sein". Ich fühle mich irgendwie ertappt, obwohl ich einmal hier wohnte, war ich lange nicht mehr hier - steche ich aus der Masse an Menschen so heraus? "Sehr gut, wieviel willst du für ein Gramm?". Da wird mir das Missverständnis bewusst. "Sorry, ich glaube du suchst jemand anderen".
"Ja, das ist Neukölln", sagt Max von Chelstowski lachend, als ich ihm davon erzähle. Sein ganzes Leben wohnt Max bereits in diesem Bezirk. Alle vier Jahre muss er Neukölln jedoch in einem Kampf verteidigen, der mit Kabelbinder und Plakaten im Namen der SPD in einer Nacht sieben Wochen vor der Bundestagswahl beginnt. Diese Nacht ist heute.
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