Etwa jede zehnte junge Frau in Österreich ist vom PCO-Syndrom betroffen. Viele wissen es allerdings gar nicht. Die Hormonstörung tritt bei Frauen im gebärfähigen Alter auf und kann ein Problem darstellen, wenn sie schwanger werden möchten. Es gibt jedoch gute Behandlungsmöglichkeiten. Wir haben Gynäkologen Dr. Johannes Seidel nach den wichtigsten Informationen rund um PCOS gefragt.
WIENERIN: Wofür steht PCOS und was genau ist das?
Johannes Seidel: PCOS steht für Polyzystisches Ovar-Syndrom. Es handelt sich dabei um eine der häufigsten Hormonstörungen bei jüngeren Frauen, die damit einhergeht, dass im Eierstock zu viele männliche Geschlechtshormone produziert werden. Das behindert oder verzögert in der Regel die Eizellreifung, was wiederum zu einem verzögerten Eisprung führt. Frauen haben dadurch längere Zyklen. Da gibt es alle möglichen Varianten von alle fünf bis sechs Wochen Blutungen über alle drei Monate bis zu nie auftretender Regelblutung.
Generell unterscheiden wir beim PCO-Syndrom verschiedene Typen: Der klassische PCOS-Typ ist mit Übergewicht assoziiert, was oft mit einer Insulinresistenz bzw. höherer Neigung zu Diabetes einhergeht. Diese Insulinresistenz führt dazu, dass mehr männliche Geschlechtshormone produziert werden, was die typischen Beschwerden von PCOS noch verschlechtert. Das ist so ein bisschen ein Teufelskreis.
Dadurch kommt es auch zu diesen Zyklusstörungen, selteneren Blutungen beziehungsweise auch Symptomen wie Hautunreinheiten bis Akne, unerwünschter Körperbehaarung bis Haarausfall.
Aber auch schlanke Frauen können betroffen sein?
Genau, das ist die andere Variante. Das ist nicht mit einer Diabetesneigung assoziiert, aber auch hier gibt es Störungen im Bereich des Eisprungs, deutlich verlängerte Zyklen bis zu nie auftretender Blutung. Hat man seltener Eisprünge und längere Zyklen kann man zu dem Zeitpunkt natürlich auch nur schwerer schwanger werden.
Wie wird PCOS festgestellt?
Prinzipiell wird über eine Blutabnahme der genaue Hormonstatus erhoben, die männlichen Geschlechtshormone und weiblichen Hormone im Blut werden bestimmt. Dann kann man sich auch die Insulinresistenz und andere Blutwerte ansehen. Dadurch ist bereits ziemlich gut erkennbar, ob eine Neigung zu PCO oder ein PCO-Syndrom besteht.
Ein weiteres Kriterium ist der Ultraschall: Dort sieht man oft polyzystische Ovarien, also sehr viele Eibläschen an den Eierstöcken der jungen Frauen. Die Eierstöcke sind oft ein bisschen vergrößert und dann hat man wie auf einer Perlschnur viele kleine Eibläschen aneinandergereiht. Das entsteht dadurch, dass viele Eizellen zum Eisprung heranwachsen, aber nicht platzen und dann wächst die nächste Kohorte heran und die nächste. Deswegen hat man so viele, was im Ultraschall gut sichtbar wird.
Es kommt immer wieder vor, dass jungen Frauen fälschlicherweise ein PCO-Syndrom diagnostiziert wird, eben weil viele Eibläschen sichtbar sind, deswegen muss man wirklich immer alle Kriterien genau anschauen.
Wie kann man PCOS behandeln? Muss es zwangsläufig behandelt werden? Viele Frauen wissen ja nicht einmal, dass sie es haben …
An sich ist PCO nichts Gefährliches. Wenn eine Frau kein Übergewicht und keine starken Symptome hat, muss man das auch nicht therapieren. Therapieren muss man es dann, wenn sie aufgrund von Symptomen wie starken Hautunreinheiten, Haarausfall, etc. einen Leidensdruck hat oder auch schwanger werden möchte, aber keine Eisprünge hat. Dann muss man nachhelfen.
Und wie?
Bei übergewichtigen Frauen lässt sich das meist mit Lifestyle-Maßnahmen gut in den Griff kriegen. Gewichtsreduktion, Sport, Ernährung. Wenn sie sich schwertut, kann man auch gewisse Substanzen wie Metformin (wird auch bei Diabetes verabreicht) hinzugeben, die helfen, den Zuckerstoffwechsel zu verbessern, die männlichen Geschlechtshormone im Blut zu senken und damit mittelfristig auch einen regelmäßigeren Zyklus zusammenzukriegen.
Wenn Frauen nur zehn Prozent ihres Körpergewichts abnehmen, normalisiert sich der Zyklus oft schon wieder. Bei schlanken jungen Frauen ist das natürlich nicht mit einer Gewichtsreduktion möglich.
Wie würde das funktionieren?
Einer Frau, die keinen Kinderwunsch hat, aber z.B. unter verstärkten Hautunreinheiten oder stärkerer Körperbehaarung leidet, kann man etwa die Anti-Baby-Pille geben. Die Pille unterdrückt hochproduktiv die Hormonproduktion in den Eierstöcken, auch die Produktion von männlichen Geschlechtshormonen. Dadurch werden die Symptome wie Hautunreinheiten, unerwünschte Körperbehaarung, Haarausfall deutlich besser.
Das ist eine Maßnahme, die hier grundsätzlich sehr rasch hilft. Allerdings ist es nicht so, dass die Pille das PCO-Syndrom an sich heilt, sondern nur die Symptome verbessert. Bei jungen Frauen, die einen Leidensdruck haben und ohnehin Verhütung brauchen, ist das eine beliebte Option.
Was, wenn sie nicht die Pille nehmen möchte?
Natürlich gibt es auch Frauen, die keine Anti-Baby-Pille oder generell keine hormonelle Verhütung nehmen wollen oder vielleicht so übergewichtig sind, dass die Pille an sich schon ein Gesundheitsrisiko darstellt. Bei Übergewicht sollte man wie bereits erwähnt, schauen, dass sie Gewicht abnimmt, evtl. mit der Zugabe von Metformin.
Bei einer schlanken Frau, die keine Insulinresistenz und keine Diabetesneigung hat, wird man kein Metformin geben, das hat keinen Sinn. Oft muss man hier auch gar nichts unternehmen, an sich ist es ja nichts Gefährliches. Es ist nicht schlimm, wenn sie nur drei bis viermal im Jahr einen Eisprung und konsekutiv eine Regelblutung hat.
Wenn Frauen nur ganz selten bluten, aber normale Östrogenspiegel haben, das ist beim PCO Syndrom so, und nicht die Pille nehmen wollen, so gibt man ihnen alle drei Monate ein natürliches Progesteron, damit die Gebärmutterschleimhaut abblutet. Andernfalls können sich mit der Zeit Veränderungen an der Gebärmutterschleimhaut entwickeln, die mit einem höheren Risiko auch nicht gutartiger Veränderungen der Gebärmutterschleimhaut assoziiert sind.
Was, wenn die Patientin einen Kinderwunsch hat?
Wenn sie hier und da noch Eisprünge hat, kann sie natürlich so probieren, ob sie schwanger wird. Das kann ja durchaus funktionieren. Wenn sie nur noch ganz selten Blutungen und selten Eisprünge hat, dann muss man das hormonell regulieren, das heißt, es werden vom ersten Tag der Blutung weg für etwa vier bis fünf Tage Medikamente verabreicht. Die hormonelle Stimulation sorgt dafür, dass das der Eierstock angeregt wird, rasch ein Eibläschen zum Eisprung zu produzieren.
Wichtig ist hier die Ultraschallkontrolle, um zu verfolgen, wie das Eibläschen wächst. Auch muss das Paar dann zeitgerecht Geschlechtsverkehr haben. Das sind also mehrere Schritte, die in der Regel zu einem positiven Ergebnis führen.
Wenn es dann noch nicht klappt, kann man das Ganze noch mit Hormonspritzen unterstützten, die den Eierstock anregen, ein Eibläschen zu produzieren.
Woran liegt, ob man vom PCO-Syndrom betroffen ist? Ist das genetisch bedingt?
Das ist eine gute Frage. Man weiß es tatsächlich noch nicht genau. Man geht davon aus, dass es eine erbliche Komponente gibt – gerade die Komponente des Gewichts, das ist auch in gewisser Weise erblich. Vermutlich hängt es auch mit dem Lebensstil zusammen - Bewegungsmangel, usw.
Wenn junge Frauen zwei, drei Jahre nach Einsetzen der ersten Regelblutung deutlich verlängerte Zyklen haben und zusätzlich übergewichtig sind, ist es ratsam, da frühzeitig anzusetzen, da sich die Neigung zu Diabetes verstärken kann. Grundsätzlich ist PCOS aber kein Grund zur Sorge.
Hören die Symptome mit den Wechseljahren von selbst auf?
Genau, mit den Wechseljahren ist das Ganze prinzipiell vorbei, weil man ja keinen Zyklus und Eisprung mehr hat. Wenn Frauen allerdings weiter Übergewicht und im Zuge dessen eine Neigung zu Diabetes bzw. Insulinresistenz haben, wird das natürlich weiterhin ein Thema sein.
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