15 Jahre lang war Larissa Kravitz in verschiedenen Finanz-Unternehmen tätig – oft war sie die einzige Frau. Irgendwann war ihr klar: So kann’s nicht weitergehen! Mehr Frauen sollten sich mit Finanzen, insbesondere Investment beschäftigen – gerade in einer Zeit, in der die staatliche Pension nicht mehr viel hergibt und Altersarmut vor allem bei Frauen ein immer größeres Problem darstellt. Gesagt, getan: In einem Posting auf der Facebook-Seite des Frauennetzwerks Sorority erkundigte sich Kravitz, ob Interesse an Investment-Workshops für Frauen bestünde. Die Antwort? Und wie!
Innerhalb weniger Stunden erhielt Kravitz Posting über 130 Kommentare von Frauen, die seit langem auf der Suche nach genau so einem Angebot waren. Aus einem Workshop bei der Sorority wurden viele - mittlerweile waren rund 600 Frauen in Kravitz Kursen. Mit ihrem Podcast "Investorella" haben nun noch mehr Frauen die Chance, alles rund um Finanzmärkte und nachhaltige Investments von Kravitz zu lernen, wobei sie betont: Man kann ihr glauben, muss es aber nicht – die wissenschaftlichen Belege liefert sie nämlich gleich mit.
Wir haben Larissa Kravitz zum Gespräch getroffen und mit ihr darüber geredet, warum Vorsicht beim Investieren von Vorteil sein kann, warum das Thema Geld für viele so ein Tabu ist und wie man Finanzinteresse bei Kindern weckt.
WIENERIN: Du hast da wohl einen Nerv getroffen ...
Larissa Kravitz: Ich merke immer mehr, es ist nicht nur ein Personal Finance-Thema, sondern auch ein wichtiges feministisches Thema, weil: Du brauchst als Frau einfach dein eigenes Geld. In der älteren Generation gibt es noch sehr viele Frauen, die von ihren Männern abhängig sind. Erst kürzlich habe ich einen Artikel gelesen: "Scheidung für Frauen über 50 ist eine finanzielle Katastrophe". Es ist auch relativ häufig, dass Frauen den Pensionsschock bekommen. Die Frauen, die zu meinen Workshops kommen, sind hauptsächlich Frauen Mitte 20, Anfang 30, da sind die Mütter so Ende 50, Anfang 60. Bei den Müttern wird Pension jetzt ein Thema und die kommen drauf: "Verdammt, ich hab’ da nichts!" Die Töchter bekommen das natürlich mit und sagen "Oh oh, das Pensionssystem für meine Mutter ist aber noch üppiger als für mich und wenn meine Mutter schon so wenig kriegt ...“ Deswegen möchte ich diesen Frauen helfen, zu zeigen, welche Möglichkeiten es gibt. Ich denke, wenn ich jetzt damit anfange, können sich Frauen rechtzeitig ein Portfolio aufbauen und sind dann im Alter abgesicherter als nur mit der staatlichen Pension. Was mir auch Frauen in Workshops sagen ist, sie schieben das weg und verdrängen das so bisschen. Die sagen mir, "Ich lese in der Zeitung über's Pensionssystem und weiß, da sollte ich eigentlich was machen, aber bin dann irgendwie überfordert und weiß nicht genau was".
Wo setzt du in deinen Workshops an?
Bei den absoluten Basics. Was sind Wertpapiere? Wie funktionieren sie? Wie kaufe und verkaufe ich ein Wertpapier? Wie mache ich ein Depot auf? Wie achte ich auf die Gebühren? Wo krieg ich meine Daten und Infos gratis im Internet? Da ist ja auch eine Wissenschaft dahinter! Finanzinformationssysteme mit Live-Daten sind ja sauteuer, aber es gibt auch sehr viele Möglichkeiten, sehr gute Daten gratis zu finden. Dann geht's damit weiter, welche Arten von Wertpapieren es gibt...und dann gibt's natürlich den Livetrading-Workshop.
Was ist das?
Wir kaufen mit echtem Geld Aktien und ETFs (engl.: "Exchange Traded Funds", d.h. Investmentfonds, die an der Börse gehandelt werden) - sowas gab es im deutschsprachigen Raum bisher gar nicht. Wir brainstormen Ideen, worin man investieren könnte, analysieren, vergleichen Wertpapiere, um dann tatsächlich eines zu kaufen. Es geht wirklich darum, hands-on zu zeigen, wie sowas funktioniert. Denn viele beginnen - wenn überhaupt - irgendwo, haben vielleicht ein Depot und sitzen dann zuhause und denken sich, "Ja und was mach ich jetzt?" ...Im Workshop verfolgen wir dann auch, wie entwickelt sich das? Wie mach ich die Risikoabsicherung? Ich liebe diesen Workshop und es ist super fun zu sehen, auf welche Ideen die Frauen kommen.
Warum zögern viele Frauen lange, bevor sie ein Investment tätigen?
Geht es um Investments, haben Frauen oft die Angst: Sind Märkte nicht etwas Böses? Aber die Wahrheit ist: Die Märkte sind weder gut noch böse, es kommt drauf an was ich draus mache! Ich schaue auch immer, dass ich auch die Risiken erwähne und sie den Leuten erkläre. Denn man muss schon aufpassen - hat eher Männer betroffen in der Vergangenheit - da gab es so Gurus, die super gehypt wurden und gesagt haben, es ist total einfach, mit Aktien in ein paar Tagen reich zu werden - und genau da verlieren viele Leute sehr viel Geld, einfach weil es da mehr um einen Hype geht als echte Financial Literacy und die Risiken total außen vor gelassen werden.
Sich vorsichtig heranzutasten, ist also von Vorteil?
Ja, durchaus! Es gibt Studien zu Hedgefond-Manager*innen, wobei Frauen eine bessere risikoadjustierte Performance haben. Das heißt, sie outperformen eigentlich ihre männlichen Kollegen. Frauen sind ein bisschen Risiko-averser, einerseits ist das schlecht - nämlich, wenn sie sich komplett von Investments fernhalten. Aber: Frauen agieren im Investmentbereich im Schnitt effizienter als Männer - eben, weil sie die Risiken im Blick haben. Ich möchte den Frauen die nötigen Informationen geben, damit sie sich mehr trauen, aber sich gleichzeitig immer noch der Risiken bewusst sind - und sagen: "Okay, wie kann ich die Finanzmärkte dazu nutzen, selbst vorzusorgen und das auf eine Art und Weise, die auch andere Menschen weiterbringt?" Gerade auch in diesem SDG-Bereich (Anm.: SDG = Sustainable Development Goals), wenn ich in Anleihen von Development-Banken investiere, dann geht mein Geld direkt in Gegenden, wo Leute kein fließendes Wasser haben, um Wasserleitungen zu bauen - solche Dinge. Man kann sich also entscheiden: Kaufe ich eine Bayer-Aktie? Die haben Monsanto übernommen - quasi the most evil company ever - oder investiere ich in ein Unternehmen, das sehr viel im Bereich erneuerbare Energien entwickelt? Das ist halt eine individuelle Entscheidung.
Vielleicht würden sich Menschen mehr mit Investment/Vorsorge beschäftigen, wenn sie früher damit in Berührung kämen. Du kommst ja aus einer Unternehmer-Familie und hattest immer schon einen Bezug zu Finanzen. Wie bringt man seine Kinder dazu, sich schon früher für das Thema zu interessieren?
Da gibt es zwei Faktoren: Das eine ist die Vorbildwirkung. Du kannst deinen Kindern erzählen, was du willst - am Ende des Tages machen sie, was du ihnen vorlebst. Das heißt, das was du ihnen erzählst und das was du ihnen vorlebst muss natürlich zusammenpassen. Also du kannst deinen Kindern nicht sagen, "Spart jedes Monat ein bisschen was zur Seite!" und dann selbst das ganze Geld beim Fenster rausschmeißen, das wird nicht funktionieren. Die andere ganz wichtige Sache ist, innerhalb der Familie - und das passiert in den wenigsten Familien - über das Thema Geld offen zu sprechen. Es ist grade in unserer Kultur schon total verhaftet: "Über Geld spricht man nicht". Es ist einfach essentiell, dass man das Thema nicht unter den Tisch kehrt, sondern offen bespricht, "Was verdiene ich?", "Was verdienst du?", "Wie können wir unsere Kosten teilen?", "Wie stellen wir uns das in Zukunft vor?" Ich glaube, dass für viele Frauen die Gefahr in Beziehungen ist, dass sie sich nicht trauen, das Thema anzusprechen oder sich zu leicht abwimmeln lassen.Ich merke sehr oft, dass es heißt, wenn Frauen verheiratet sind, vielleicht ein Kind haben, länger in Karenz sind, dann Teilzeit arbeiten und weniger verdienen, was in Österreich noch ein gängiges Modell ist, dass die Männer sagen, "Na ich werd' mich eh immer um dich kümmern" - und dann kommt die Scheidung. Dann wird's schwierig. Dieses Versprechen "Ich werd' mich eh immer um dich kümmern" - viel Glück beim Richter damit! Das sind so Dinge, die muss man in einer guten Beziehung auch regeln - Besitzverhältnisse, Wohnverhältnisse - all das. Da darf man sich nicht abwimmeln lassen. Wenn man offen über solche Themen spricht, dann kommen auch Dinge auf den Tisch, dann beginnt man zu diskutieren und wenn man Kinder hat, dann entwickelt das eine Eigendynamik: Dann sagt man etwas als Mutter oder Vater und das Kind sagt, "Nein das stimmt nicht!" und googelt das und stößt zum Beispiel auf finanzmathematische Studien...
Besteht auch die Gefahr, Kinder mit zu viel Finanz-Talk zu belasten? Zum Beispiel, wenn es um finanzielle Probleme in der eigenen Familie geht? Was ist da der richtige Weg?
Ich glaube, man kann Kindern schon ab einem gewissen Alter zumuten, zu sagen, "Ja, wir haben jetzt in unserer Familie bisschen weniger Geld zur Verfügung, das heißt, wir schauen genauer auf die Preise" oder "Wir machen jetzt ein Spiel und überlegen uns jedes Wochenende Freitagnachmittag, was die coolsten Sachen sind, die man gratis in Wien machen kann". Ich glaube, sowas kann man auch spielerisch verarbeiten. Hängt natürlich auch damit zusammen, dass man sich als erwachsener Mensch damit nicht zu sehr stresst, denn wenn einem die Situation selbst großen Stress bereitet, ist es schwierig, Kindern das auf eine positive Art und Weise zu vermitteln. Ich denke, es macht Sinn, sich als erwachsener Mensch zum Thema Finanzen weiterzubilden - dann ist es nicht so mysteriös, nicht so stressig und dann belastet man die Kinder auch weniger, kann ihnen alles auch positiver beibringen. Also ich denke, es ist wichtig, Kindern gegenüber ehrlich zu sein - auch wenn es schwierige Situationen sind, können sie das immer besser verkraften, wenn sie drauf vorbereitet werden und man ihnen sagt, warum die Dinge so passiert sind. Auch im Falle von Scheidungen, wenn sich plötzlich der Lebensstandard von Kindern radikal ändert. Ich glaube, es ist einem Kind schon zumutbar zu sagen, "Wir werden jetzt in eine kleinere Wohnung ziehen, das ist jetzt temporär nötig und wir werden schauen, dass wir jetzt bisschen sparen und in ein, zwei Jahren werden wir vielleicht wieder in eine größere Wohnung ziehen". Ich glaube das ist für Kinder ganz wichtig, dieser ehrliche Umgang mit Dingen.
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