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Angst vor dem Sommer

Für viele Menschen bedeutet Sommer, besonders häufig diskriminiert zu werden - beispielsweise für ihr Gewicht oder ihre Körperbehaarung. Vier Betroffene erzählen von ihrer Summer Anxiety.

Für viele Menschen bedeutet Sommer, besonders häufig diskriminiert zu werden - beispielsweise für ihr Gewicht oder ihre Körperbehaarung. Vier Betroffene erzählen von ihrer Summer Anxiety.


Danielle, 24

Schmerzen. Das ist das Erste, was ich fühle, wenn es warm wird. Ich leide unter Lipödem, einer chronischen Fettverteilungsstörung. Jede zehnte Frau in Deutschland ist davon betroffen. Fett lagert sich dabei unkontrolliert ein, meistens in den Beinen. Bei mir auch in den Oberarmen, in der Hüfte, im Gesicht und im Dekolleté.

Ohne Kompressionsstrümpfe könnte ich die Schmerzen nicht aushalten. In dem dicken engen Stoff fühle ich mich wie gefesselt. Und es sieht natürlich scheiße aus. Ich trage sie jeden Tag, bei jeder Temperatur. Im Winter sogar an den Armen. Ich kann meine Krankheit so nie verstecken: Meine großen Oberschenkel, die hängende Haut an den Oberarmen. Überall sieht man das dellige Gewebe.

Wenn es heiß wird, tut mein ganzer Körper weh, weil er anschwillt. Wasser lagert sich in meinen Beinen ein. Aber am schlimmsten für mich sind meine Oberarme. Nicht einmal wegen der starken Schmerzen, sondern einfach, weil sie aussehen, als würden sie nicht zum Rest meines Körpers gehören. Sie sind zu groß, die Haut hängt. Wer keinen normschönen Körper hat, fällt im Sommer noch mehr auf als sonst eh schon. Menschen zeigen mit dem Finger auf mich, rufen mir hinterher, beleidigen mich. Es sind nicht nur die körperlichen Schmerzen. Es ist auch eine psychische Belastung.

Ich versuche selbstbewusst zu sein. Ich trage mal kurze Hosen, mal Kleider. Ich gehe ins Freibad. Ich gehe in den Park, verbringe Zeit mit Freund*innen. Ich versuche nicht mehr, mich in Gruppen zu verstecken oder mich zu isolieren, indem ich zu Hause bleibe. Bis heute bestimmt aber die Krankheit meinen Alltag: Ich achte penibel darauf, was und wie viel ich esse. Ich gehe jeden Tag 10.000 Schritte und regelmäßig ins Fitnessstudio, hebe Gewichte. Drei- bis viermal pro Woche bin ich beim Sport. Ich sehe aber nicht so aus, weil ich krank bin. Nur weiß das niemand. Die Menschen denken, ich sei fett. Ich sei unsportlich. Faul. Selbst schuld. Wenn ich im Sommer ein Eis esse, werde ich von fremden Menschen gefragt: "Solltest du das wirklich essen?" Wenn ich zum Schwimmbecken gehe, wird gepfiffen und mir hinterhergerufen: "Du fetter Wal." Dabei kann ich nichts gegen das Fett tun. Ich versuche, diese Kommentare zu ignorieren. Aber natürlich verletzen sie mich. Ich esse schon lange kein Eis mehr in der Öffentlichkeit. Schwimmen gehe ich aber trotzdem. Vor allem, weil es gegen meine Schmerzen hilft.

Meine Erkrankung ist jeden Tag ein Kampf. Aber diesen Sommer habe ich Hoffnung: Ende August habe ich meinen ersten Besprechungstermin für meine Operation: Im Winter wird mir Fett am Bauch und an den Beinen abgesaugt. Auch wenn das Fett wiederkommen kann, auch wenn ich mehrere Tausend Euro für die OP selbst zahlen muss: Ich spüre so viel Vorfreude, die mir den Sommer schon jetzt etwas schöner macht.

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