Weil mein Papa Elefantenpfleger war, haben wir in einer Betriebswohnung auf dem Zoogelände in Rostock gewohnt. Ich habe von meinem Kinderzimmer aus auf das Lamagehege geguckt, auf das große Futterhaus, den Spielplatz und den kleinen Imbiss. Und natürlich auf das Elefantenhaus. Die Elefanten waren meine Lieblingstiere, sie standen nur ein paar Meter von meinem Bett entfernt.
Auch im Haus hatten wir immer irgendwelche Kleintiere. Enten, Igel, Hasen. Unsere Nachbarn hatten ein kleines Kapuzineräffchen, so eins wie Herr Nilsson von Pippi Langstrumpf. Die Geräusche meiner Kindheit waren Löwengebrüll, Pfauengeschrei und das Trompeten der Elefanten. Nachts hatte ich als Kind deswegen oft total Schiss. Aber nicht so sehr wie vor den Vogelspinnen im großen Aquarium. Die waren megagruselig. Und ich fand es schlimm, wenn die Schweinehälften für die Löwen angeliefert wurden. Früher ist die Futterkutsche direkt an unserem Wohnzimmer vorbeigefahren. Kein schöner Anblick. Aber irgendwann gewöhnt man sich dran. Genauso wie an die betrunkenen Fußballfans, die sich manchmal im Zoo verirren und plötzlich vorm Fenster stehen.
Wenn Leute zu uns kamen, wollten natürlich immer alle in den Zoo. Das Beste war, mit meinen Freunden nach Feierabend auf den großen Spielplatz zu gehen. Wenn alle Besucher weg waren, haben wir dem Sicherheitsmann zugewinkt, und dann hatten wir den ganzen Platz für uns allein. Ich habe im Zoo Fahrradfahren gelernt, hab auf den Elefanten gespielt. Und zu besonderen Anlässen durfte ich schon mal auf einem Pony zum Kindergarten reiten. Alle Kinder waren natürlich immer neidisch. Aber für mich war der Zoo damals überhaupt nichts Besonderes. Er war mein Zuhause.
Vor drei Jahren ist mein Papa an einem Hirntumor gestorben. In unserer Wohnung im Zoo. Jetzt lebe ich in Leipzig und habe mir eine Jahreskarte für den Tierpark hier gekauft. Ein komisches Gefühl, plötzlich Eintritt zu bezahlen. Ich stehe manchmal bei den Elefanten und kann meine Tränen nicht zurückhalten. Für die anderen ist das sicher ein komisches Bild - eine weinende junge Frau im Elefantenhaus. Aber für mich riecht es dort eben nach meinem Papa und nach meinem Zuhause. Und dann fällt mir auf, wie besonders das alles doch war.
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