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Luisa Gruber

Freie Journalistin , Regensburg

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Hebamme werden: Ausbildung anfangen oder auf neuen Studiengang warten?

Es war ein paar Tage vor Weihnachten, mitten in der Nacht. Sophia Reinhardt saß neben einer schwangeren Frau, atmete mit ihr zusammen tief ein und aus. Sie erinnert sich noch gut an die erste Geburt, die sie vor drei Jahren selbstständig leitete: "Das war so schön und geborgen", sagtReinhardt. Auch Luise Schmitt hat viele schöne Geburten erlebt. Einmal, erzählt sie, benannten die Eltern sogar das Baby nach ihr.

Schmitt und Reinhardt werden beide Hebammen, doch dafür haben sie zwei komplett unterschiedliche Wege gewählt. Während Schmitt an der Hebammenschule in Frankfurt am Main eine Ausbildung absolviert, hat Reinhardt an der Hochschule Fulda Hebammenkunde studiert und nun zum Wintersemester einen Master begonnen.

Hebamme werden: ein Beruf, drei Wege

Lange gab es in Deutschland nur einen Weg in den Hebammenberuf: die Ausbildung. Doch die ist in die Jahre gekommen. Das Hebammengesetz, auf dem die Ausbildung basiert, ist von 1985. Innerhalb der EU wird der deutsche Abschluss nicht mehr anerkannt, andere Staaten haben längst auf eine universitäre Ausbildung umgestellt.

Seit dem 1. Januar 2020 gilt deshalb auch in Deutschland: Wer Hebamme werden möchte, muss ein Bachelorstudium absolvieren. Doch mit dieser neuen Regelung geht der Kraftakt der Umstellung erst los.

Das Konzept für die Zukunft ist ein dualer Studiengang, nach einem neuen Hebammengesetz, dessen Abschluss die EU-Standards erfüllt. Doch einen neuen Studiengang zu etablieren, braucht Zeit. Zwar werden an ungefähr 30 Hochschulen in Deutschland schon sogenannte Modellstudiengänge angeboten. Die basieren aber - wie die Ausbildung - noch auf dem alten Hebammengesetz, müssen also umgestellt werden. Manche Hochschulen tun das schon zum Herbst 2020, andere erst im Jahr 2021, wieder andere müssen den Studiengang komplett neu aufbauen. Damit es deshalb nicht zu Engpässen in der Hebammenausbildung kommt, wurde eine Übergangsregelung beschlossen: Bis Ende 2022 kann man auch noch eine Ausbildung zur Hebamme starten.

Heißt: Momentan gibt es drei Wege, um Hebamme zu werden. Ein Zustand, der Auszubildende und Interessierte verunsichert. Welchen Weg sollte man derzeit gehen?

Die Ausbildung

Luise Schmitt ist im dritten Jahr an der Hebammenschule Carl Remigius in Frankfurt am Main. An einem Tag in der Woche geht die 33-Jährige in die Schule, an den anderen arbeitet sie in der Klinik. Sie hatte bereits ein Studium hinter sich und wählte eine Ausbildung, um möglichst schnell Hebamme zu werden. Besonders lehrreich fand Schmitt dabei die elf Wochen Externat, die sie in einem Geburtshaus verbrachte.

Doch neben Einsätzen im Kreißsaal, im OP und auf der Station für Frühgeborene absolvieren Auszubildende auch praktische Stationen, deren Sinn Schmitt nicht ganz nachvollziehen konnte, wie sie sagt. Sie habe zum Beispiel zwölf Wochen auf der Pflegestation arbeiten müssen. "Das fand ich im Verhältnis zum kurzen Kreißsaaleinsatz ziemlich krass, weil da einfach der Bezug zur Hebammenausbildung fehlte." Und noch etwas sei ihr während ihrer Lehrzeit negativ aufgefallen: "Einige Ärzte und Hebammen lassen es einen im Kreißsaal schon spüren, dass man das unterste Glied in der Kette ist." Obwohl sich Schmitt für die Ausbildung entschieden hat, ist sie deshalb der Meinung: "Das Studium ist wichtig, um unseren Berufsstand zu stärken."

Julian Nida-Rümelin sieht das ein bisschen anders. Als Professor für Philosophie an der Ludwig-Maximilians-Universität München beschäftigt er sich seit Jahren mit dem, was er den "Akademisierungswahn" von Ausbildungsberufen nennt. Statt einer kaufmännischen Berufsausbildung wird heute in vielen Betrieben auf ein betriebswirtschaftliches Studium gesetzt, und das Schreinerhandwerk bekommt inzwischen Konkurrenz vom Studiengang Holztechnik. Nida-Rümelin fürchtet, dass die berufliche Bildung als Stärke des deutschen Bildungssystems durch die Akademisierung geschwächt wird. Er plädiert stattdessen dafür, die Berufsausbildung zukunftsfest zu machen: "Dazu gehört eine stärkere Einbeziehung von allgemeinbildenden Inhalten und wissenschaftlicher Grundkompetenz. Das gilt zweifellos auch für die Ausbildung von Hebammen."

Das Modellstudium

Auch einige praktizierende Hebammen sind noch nicht überzeugt, dass ein Studium wirklich nötig ist. Diese Erfahrung machte Sophia Reinhardt, als sie den Modellstudiengang Hebammenkunde an der Hochschule Fulda absolvierte. Während ihrer Stationen im Kreißsaal sei ihr manchmal Skepsis begegnet, besonders von erfahrenen Hebammen, sagt die 23-Jährige: "Die sind so eingefleischt in der Praxis und verstehen nicht, warum man das so wissenschaftlich angehen muss." Reinhardt findet ein Studium dennoch sinnvoll - "allein, weil man dadurch lernt, bestehende Muster im Kreißsaal kritisch zu hinterfragen".

Ähnlich wie Luise Schmitt in der Ausbildung lernte auch Sophia Reinhardt im Modellstudium alles rund um Schwangerschaft und Geburt. Ab dem zweiten Semester war sie abwechselnd eine Woche an der Hochschule und eine Woche in der Klinik, die Semesterferien waren voll mit Praktika. Dazu lernte sie Methoden wissenschaftlichen Arbeitens sowie theoretische Konzepte zur Familienförderung und zu nationalen Zielen des Gesundheitsministeriums. In einem Seminar hätten sie sogar ihren eigenen Businessplan erstellt, für den Fall, dass sie später selbstständig arbeiten wollen, erzählt Reinhardt. Inhalte, die in der Ausbildung in dieser Tiefe nicht vorkommen.

Oder lieber auf das duale Studium warten?

Die Modellstudiengänge wird es nicht mehr lange geben, bald werden sie überall durch das duale Studium abgelöst sein. Wie das abläuft, welche Vor- und Nachteile es hat, davon kann noch niemand berichten. Die ersten Studiengänge laufen jetzt im Herbst an, viele erst im kommenden Jahr. Lohnt es sich, darauf zu warten? Oder sollte man lieber schnell eine Ausbildung absolvieren, solange es noch geht?

Cordula Fischer, Leiterin der Hebammenschule in Heidelberg, ist nach wie vor überzeugt: "Man muss nicht studieren, um eine gute Hebamme zu sein." Doch sie sieht auch deutliche Vorteile des akademischen Weges: "Ein Studium ist sinnvoll, weil es mehr Möglichkeiten eröffnet, sich in die Diskussion und Gestaltung von Versorgungsprozessen einzubringen. Davon profitieren dann auch Mutter, Kind und Familien" Hebammen seien immer mehr mit komplexen Fragestellungen konfrontiert, für die es breiteres Hintergrundwissen brauche. In der Ausbildung erwerbe man zwar fundiertes fachtheoretisches Wissen - aber es fehlen Zeit und Mittel für solide wissenschaftliche Auseinandersetzung und Reflexionen.

Fischer erhofft sich vom Studium zudem, dass Hebammen in Fachdiskussionen mehr gehört werden. Generell könne mit einem Studium die Hierarchie zwischen Hebammen und Ärzten abgeflacht werden, sagt sie. An der Universität Lübeck etwa haben Studierende der Medizin und der Hebammenwissenschaft gemeinsame Vorlesungen. Ein gutes Konzept, findet Fischer: "Wenn sie da schon lernen, miteinander zu sprechen, können sie das auch später in der Praxis besser."

Yvonne Bovermann, Beirätin für den Bildungsbereich des deutschen Hebammenverbandes, sieht höchstens ein Argument, jetzt noch eine Ausbildung zu beginnen: Vielerorts gibt es noch keine Planung für neue Studiengänge. Wer zeitnah in Studium oder Schule einsteigen möchte oder muss, hat deshalb möglicherweise in seiner Region nicht unbedingt die Wahl.

Mit dem Blick in die Zukunft gerichtet überwiegen für Bovermann die Vorteile des akademischen Weges. Neben dem klassischen Berufsweg als Hebamme könne man an ein Studium zudem einen Master für Leitungstätigkeiten anschließen. "Und wer will, kann in die Forschung gehen." Und so vielleicht selbst dazu beitragen, dass sich der Traditionsberuf Hebamme weiterentwickelt.

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Erstellt am 24.05.2021
Bearbeitet am 24.05.2021

Quelle
https://www.spiegel.de/start/hebamm...

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