Lucia Weiß

Journalistin mit Schwerpunkt Afrika, Berlin

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Weihnachtsabsage wegen Corona: Sind die Eltern verletzt?

Wegen Corona müssen Kontakte reduziert werden - Weihnachten ist keine Ausnahme. Das birgt Konfliktpotenzial in Familien. Wie man damit umgeht, erklärt Psychologe Peter Rottländer.

Empfinden die Eltern es möglicherweise als Verletzung, wenn ich wegen Corona nicht komme? Quelle: Colourbox

Von Lucia Weiß


ZDFheute: Nehmen wir an, ich halte mich an Aha- und Kontakt-Regeln und gehe vor dem Fest in Quarantäne. Aber meine Eltern wollen trotzdem nicht, dass ich zu Weihnachten vorbeikomme. Können wir auf einen Nenner kommen?

Peter Rottländer: Wenn Ihre Eltern älter sind und Vorerkrankungen haben, hat deren Angst nachvollziehbare Gründe. Wenn es völlig übertrieben wirkt, kann man noch mal darüber reden.

Es hängt dann davon ab, ob sich Ihre Eltern auf Ihre Argumente einlassen. Und ob es eine gewisse Flexibilität gibt: Vielleicht kann das herkömmliche Treffen in der Wohnung wenigstens durch einen gemeinsamen Spaziergang ersetzt werden. Wenn die familiäre Beziehung nicht zerrüttet ist, fällt es den Eltern vermutlich selbst schwer, nein zu sagen. Das sollten Sie als Tochter versuchen zu erkennen und zu akzeptieren.

Peter Rottländer ...

... ist Paar- und Familientherapeut (BvPPF). Er leitete von 2002 bis 2019 eine psychologische Beratungsstelle. Rottländer hat eine Praxis für Paar- und Familientherapie in Frankfurt am Main. Außerdem ist der Psychologe tätig in der Aus- und Weiterbildung zur psychodynamischen und mentalisierungsbasierten Paartherapie sowie als Supervisor.

Bildquelle: Felix Rottländer

Rottländer: Es ist ein guter Weg, sich vorher zu überlegen: Empfinden die Eltern es möglicherweise als Verletzung, wenn ich wegen Corona nicht komme? Dann ist es gut, so viel wie möglich auf die eigene Kappe zu nehmen und zu sagen: Vielleicht bin ich übervorsichtig, aber ich will kein Risiko eingehen. Es tut mir leid. Wir sehen uns so bald wie möglich wieder.

Hilfreich ist, die Eltern nicht als potentielle Infektionsträger zu bezeichnen und ihr Verhalten zum Problem zu erklären.

Hilfreich kann es sein, ausdrücklich zu sagen: In diesem Jahr ist Weihnachten wegen der Corona-Bedingungen eine absolute Ausnahmesituation.

Gerade Jugendlichen fehlen die Kontakte ganz besonders, sie empfinden die Bedrohung durch das Coronavirus oft nicht so akut wie Ältere und neigen dazu, Risiken einzugehen.

Als Eltern kann man beides tun, Verständnis zeigen und in der Sache klar bleiben, dass es absolut nicht in Ordnung war, eine so ernste Absprache zu brechen.

Ich höre in meiner Praxis, dass die Leute sich jetzt im zweiten Lockdown deutlich mehr gestresst fühlen als im ersten.

Wenn man diese Dünnhäutigkeit einkalkuliert, kann man selbst gelassener bleiben. Und vielleicht kann man Vorweihnachtsstress reduzieren, indem man sich darauf verständigt, weniger oder in diesem Jahr gar nichts zu schenken und stattdessen einmal wirklich geruhsame Weihnachten zu feiern.

Das Interview führte Lucia Weiß.

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