Lucia Weiß

Journalistin mit Schwerpunkt Afrika, Berlin

1 Abo und 1 Abonnent
Artikel

Islamistischer Terror: Mosambik droht ein neuer Bürgerkrieg

Im rohstoffreichen Norden Mosambiks spitzt sich die Gewalt zwischen Islamisten und Regierungstruppen zu. Schon seit 2017 überfallen Aufständische dort Dörfer und töten Menschen.

Al-Shabaab-Anschag in Somalia (Archivbild) Quelle: dpa

Mindestens 52 Tote, erschossen oder enthauptet im Dorf Xitaxi im Norden Mosambiks, bei einem Massaker Anfang April. Die Täter: radikal-islamistische Aufständische. Das Massaker, das erst vor kurzem bekannt wurde, war eines der brutalsten in dem seit Oktober 2017 schwelenden Konflikt in der Provinz Cabo Delgado.

Die mosambikanische Regierung, die bisher keine klare Aussage zu den Aufständischen machte, hat danach erstmals von einer Beteiligung des Islamischen Staates (IS) gesprochen. Denn der IS hatte in der Vergangenheit immer wieder eine Verbindung nach Mosambik für sich beansprucht - wie die Beziehungen tatsächlich aussehen, bleibt unklar.

Klar ist aber: Der April dieses Jahres ist nach Angaben der NGO ACLED (Armed Conflict Location & Event Data Project) der Monat mit den meisten Todesopfern in dem Konflikt, in dem schon über 1.000 Menschen gestorben sind.

Darum geht es

In dem Konflikt in Nordmosambik stehen sich Aufständische und Soldaten der Regierung gegenüber. Als Anfang gilt der bewaffnete Angriff am 5. Oktober 2017 im Distrikt von Mocímboa da Praia in der nordmosambikanischen Provinz Cabo Delgado. Seit Anfang dieses Jahres häufen sich die Berichte über Attacken in Nordmosambik - einige Experten sagen, dass die Extremisten mit einem zweitägigen erneuten Angriff auf das Zentrum von Mocímboa da Praia und das Umland Ende März eine neue Stufe der Machtdemonstration erreicht haben.

Bildquelle: imago/photothek

Die Opferzahlen

Bisher sollen nach Angaben der Genfer Nachrichtenagentur "The New Humanitarian" etwa 1.000 Menschen getötet und mehr als 100.000 vertrieben worden sein. Offizielle Angaben über Verluste unter den von der mosambikanischen Regierung entsandten Soldaten liegen nicht vor.

Die Konfliktlinien

Der Konflikt in Cabo Delgado ist kompliziert, weil sich muslimisch-ideologische, politische - regierungsnahe Frelimo-Eliten gegen oppositionelle Renamo-Anhänger - und sozioökonomische Fragen überschneiden. Es gibt verschiedene Expertenmeinungen darüber, welcher Aspekt der entscheidende und wie wichtig die Rolle des islamistischen Fundamentalismus tatsächlich in der Auseinandersetzung ist.

Die Aufständischen

Bisher gibt es kaum gesicherter Erkenntnisse über die Gruppe der Aufständischen. Laut einer 2019 veröffentlichten Studie des mosambikanischen Forschungsinstituts für Sozial- und Wirtschaftswissenschaften (IESE), die auf eigener Feldforschung im Konfliktgebiet beruht, hat sich die Gruppe zunächst als radikal-religiöse Bewegung formiert und vor allem mittellose Jugendliche angezogen. Seit der erfolglosen Konfrontation 2014 mit alteingesessenen muslimischen Führungsfiguren hat sich die Gruppe demnach zunehmend politisiert und militarisiert. In den Quellen tauchen immer wieder zwei Namen für die Gruppe auf: Lokal scheint der Name "Al Shabaab" (arabisch für Jugend) geläufig zu sein. Allerdings wird auch der Name "Ahl Al-Sunna" genannt. Die IESE-Studie legt zumindest indirekte Verbindungen zur "Al Shabaab"-Gruppierung in Somalia und Kenia nahe. Immer wieder benutzen die Aufständischen die Flagge des Islamischen Staates.

Die Geldquellen

Die islamistische Gruppe finanziert sich laut der IESE-Studie maßgeblich über Spenden aus dem In- und Ausland und über den illegalen Handel mit Rohstoffen in der Region (Hölzer, Rubinsteine, Elfenbein) - aber zum Teil auch über den verstärkten Drogenhandel.

Die Rohstoffe

Der Konflikt in Cabo Delgado erregt internationale Aufmerksamkeit, weil in der Region enorme Rohstoff-Vorkommen (flüssiges Erdgas, Rubinsteine) vorhanden sind - die Bevölkerung aber weiterhin sehr arm ist und zum Teil ihr Zuhause wegen der Erdgas-Ausbeutung verlassen musste. Im Rovuma-Becken vor der Küste Nordmosambiks wurde 2012 ein großes Erdgas-Vorkommen entdeckt, das von einem internationalen Konsortium ausgebeutet wird, unter anderem von Exxon, Eni und China National Petroleum Corporation. Damit liegen in Mosambik die drei investitionsstärksten Erdgas-Projekte des gesamten Kontinents. Im Jahr 2017 wurden lokale Edelstein-Schürfer von der Regierung zurückgedrängt - zugunsten des Konzerns Ruby Mining. Einige arbeitslos gewordene Schürfer haben sich den IESE-Analysten zufolge zum Teil den Aufständischen angeschlossen.

Kampf um Erdgas und Rubine

Der Wissenschaftler Joseph Hanlon, der sich seit vielen Jahren mit Mosambik beschäftigt, spricht von einem neuen Bürgerkrieg in Cabo Delgado. "Es geht um einen gewaltsamen Konflikt zwischen zwei Gruppen im selben Land und oft wird in der Forschung die Schwelle von 1.000 Todesopfern genannt." All das sei in Mosambik gegeben, erklärt Hanlon. Im Mittelpunkt des Streites stünde vor allem die ungleiche Verteilung des Reichtums, meint er. Mosambik, das erst 1975 von Portugal unabhängig wurde, zählt zu den ärmsten Ländern der Erde - trotz reicher Vorkommen an Erdgas und Rubinen.

Der Islamismus ist nach Hanlons Einschätzung eher ein Mittel, um außerhalb Mosambiks Geld und Kämpfer einzuwerben. Mit einer fundamentalistischen Auslegung muslimischer Lehren wollten sich die Aufständischen außerdem von den lokalen Eliten absetzen - diese sind ebenfalls seit Jahrhunderten vor allem muslimisch geprägt.

Und die Eliten wiederum sind politisch an der regierenden Frelimo orientiert, die seit der Unabhängigkeit 1975 kontinuierlich ihren Machtanspruch durchgesetzt hat.

Welche Rolle aber die innenpolitische Dimension Mosambiks in dem Konflikt spielt, ist schwierig zu beurteilen: So beschuldigt die Oppositionspartei Renamo die von der Frelimo-Regierung entsandten Soldaten Anfang April vor der Insel Ibo Parteimitglieder ermordet zu haben. Augenzeugen unterstützten im Gespräch mit dem Nachrichtenportal Zitamar diese Sicht der Dinge - andere Quellen sprechen von einem Unfall.

Gesicherte Informationen sind in dem sich tagtäglich entwickelnden Konflikt schwierig zu bekommen. Journalisten, die in Cabo Delgado recherchieren, werden immer wieder verhaftet. Die Gewalt in Cabo Delgado breitet sich nach Meinung von Forscher Hanlon gerade aus.

Ob die Corona-Krise den Aufständischen dabei in die Hände spielt, ist schwer abzusehen. Bisher gibt es etwa 80 bestätigte Fälle und laut Hanlon wird viel davon abhängen, ob die Pandemie sich in dem weitflächigen Land ausbreiten kann. Noch gebe es keine Meldungen darüber, dass Aufständische dort als Helfer auftreten, wo der Staat fehlt.

Zum Original