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Angeltouren sind verboten, Schleppnetzfischerei ist erlaubt: In Kanada zeigen sich viele der Probleme mit Meeresschutzgebieten

24 Knoten, 44 km/h, das Boot kracht auf das flache Wasser. Das Holz knarzt. Die Kompassnadel schlägt von der einen auf die andere Seite. Ein Schluck aus der Kaffeetasse – und der ganze Becher wippt nach oben. Mike Kelly navigiert das Boot an kleinen Inseln vorbei durch die Gewässer des Pazifiks. Er sitzt auf einem hüfthohen Stuhl hinter dem Lenkrad, geschützt vom überdachten Bereich des Bootes, das Gesicht von Schirmmütze und Regenjacke fast verdeckt. Nur die blauen Augen und ein Ansatz des Vollbartes sind zu sehen, wenn er rechts und links nach Schwarzbären, Walen oder Delphinen Ausschau hält.

Kelly fährt so schon seit zwei Jahrzehnten hinaus auf den Pazifik. Im Sommer legt er mit zwanzig anderen Booten im Morgengrauen ab. Kinder, Grosseltern, Mitarbeitende von Firmen sind an Bord. Sie werfen ihre Angeln aus und geniessen die Stille. «Ein magischer Moment mit der Natur» – so erzählt es Kelly, der seit 2003 Angeltouren beim kanadischen Vancouver Island anbietet.


Der 49-Jährige möchte allen zeigen, auf welchem Schatz er lebt. Aber auch, über welchen Schatz demnächst entschieden wird.


Denn Kellys Schatz, die magischen Momente mit der Natur, ist ausgerechnet durch etwas bedroht, was der Natur eigentlich helfen soll: Kanada möchte ein riesiges Netzwerk an Schutzzonen an seiner Westküste errichten. In dem nordamerikanischen Land ist das kein ungewöhnliches Projekt: Während weltweit nur 7 Prozent aller marinen Gewässer geschützt sind, sind es in Kanada laut Regierung 15 Prozent. 2030 soll diese Zahl auf 30 Prozent gesteigert werden – Schleppnetzfischerei, Unterwasserbergbau oder Aktivitäten zur Öl- und Gasgewinnung sollen in den neuen Zonen verboten sein.


Kanada ist eines von über hundert Ländern, die sich dem sogenannten 30×30-Ziel verpflichtet haben: 30 Prozent der Land- und Meeresfläche sollen bis 2030 unter Schutz gestellt werden. Dieses Ziel nicht nur national, sondern weltweit zu regeln, ist ein grosser Verhandlungspunkt der Uno-Biodiversitätskonferenz, die noch bis 19. Dezember in Montreal stattfindet.

Für Katrin Böhning-Gaese, Direktorin des Senckenberg-Biodiversität-und-Klima-Forschungszentrums, ist der Schutz von 30 Prozent der Erdfläche sogar das «Minimalziel» der Konferenz – solange es sich auch um gut betreute und vernetzte Gebiete handelt.

Doch die geplanten Gebiete rund um Vancouver Island zeigen, wie schwierig es bereits ist, nationale Gewässer zu schützen. Es ist ein Streit um geplante Regeln, veraltetes Wissen und die Frage nach Mitbestimmung.

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