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Veganismus als Markt: Das Geschäft ohne Tiere in Bremen - WESER-KURIER

Seit einem Jahr betreibt Yasmina Mangieri ihren veganen Friseursalon an der Kornstraße in Bremen. Mit der Finanzierung tat sie sich zunächst schwer. Alle normalen Banken, so sagt sie, hätten einen Kredit abgelehnt. Foto: Karsten Klama

„Vair“ steht in geschwungenen Buchstaben über dem Tresen. Das „V“ ist mit einem Blatt verziert und unterstreicht das Wortspiel: Denn in Yasmina Mangieris Friseursalon in der Kornstraße geht es vegan und fair zu.

Vegan zu sein bedeutet, rein pflanzlich zu leben: ohne Fleisch, Milch oder Eier. Das einzig Tierische im Laden von Mangieri ist Lila, ihr Hund. Die Stühle sind aus Kunstleder, für den Kaffee gibt es Pflanzenmilch. Vor allem sind die Färbe- und Pflegemittel ohne tierische Produkte und zu 95 Prozent pflanzlich. „In der Friseurbranche wird viel an Tieren getestet“, sagt Mangieri. „Das wollte ich nicht mehr.“

Seit 2005 schneidet, wäscht und färbt Mangieri Haare, seit 2013 ist sie Friseurmeisterin. Die Veganerin hat sich zunehmend unwohl in konventionellen Salons gefühlt, in denen Produkte mit Bienenwachs, Wollfett und Ausscheidungen von Läusen zum Arbeitsalltag gehören. Mangieris Schlussfolgerung: Ein eigener Laden muss her. Die nötige finanzielle Unterstützung für ihre Selbstständigkeit zu erhalten, war allerdings nicht leicht. „Alle normalen Banken haben einen Kredit abgelehnt.“ Letztendlich habe ihr die Bremer Aufbaubank weitergeholfen, sagt Mangieri. „Viele erleben Veganismus als Humbug, der nichts weiter ist als ein Trend.“

Dieser Trend ist in den vergangenen Jahren um mehr als das 16-fache angestiegen: 1,3 Millionen Menschen leben laut einer aktuellen Befragung von Skopos in Deutschland vegan. 2008 ernährten sich noch weniger als 80 000 Menschen pflanzlich. Zu dem Ergebnis kam damals das Bundesinstitut für Ernährung und Forschung.

Auch Franziska Jedding ist Veganerin. Als sie vor sechs Jahren anfing, sich rein pflanzlich zu ernähren, habe sie fast nur in Bioläden einkaufen können. Damals lag die Zahl der neu eingeführten und als vegan gekennzeich­neten Lebensmittel bei vier Prozent. 2018 waren es schon 15 Prozent. Damit ist Deutschland ­weltweit führend im Markt – dicht gefolgt von Großbritannien und den Vereinigten Staaten.

BREMERIN STELLT VEGANE GESCHÄFTE VOR

Jedding möchte Veganern helfen, auch außerhalb der eigenen Küche vegan zu leben. Die 29-Jährige hat den Blog „Bremen liebt Grünzeug“ gegründet, vergangenen Oktober ist er ins Netz gegangen. Neben Cafés, Restaurants und Bars, die Pflanzliches im Angebot haben, hat Jedding seit Kurzem auch vegane und nachhaltige Geschäfte auf ihrer Seite. „Man fängt bei der Ernährung an, und dann landet man beim nächsten Thema“, sagt sie. „Das ist ein Prozess, der über die Ernährung hinaus geht.“

„Veganismus ist keine Diät, sondern eine Art zu leben“, sagt auch Mangieri. „Sie fängt bein Essen an und hört beim Umweltschutz auf.“ Aber nicht alle Produkte, die vegan sind, sind auch unbedingt nachhaltig und fair gehandelt. Mangieri war es wichtig, Haarprodukte zu finden, die nicht nur ohne tierische Produkte , sondern auch ohne Rohöl auskommen. Fündig wurde die Unternehmerin in Großbritannien.

Sobald man die Lebensmittelindustrie verlässt, wird es komplizierter mit der Nachhaltigkeit tierfreien Produkten. Zum Beispiel in der Modebranche. Nicht immer sind vegane Produkte auch fair gehandelt und gut für die Umwelt. „Da muss man abwägen“, sagt Sören Lauer, zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit bei „Fairtragen“. Das Bremer Bekleidungsgeschäft gibt es seit 2007. „Bio und fair muss unsere Kleidung auf jeden Fall sein.“ Sind die Produkte dann auch noch vegan – umso besser.

Besonders Schuhe aber seien ein komplexes Thema, sagt Lauer. So sind Schuhe aus Baumwolle oder Plastik zwar vegan – halten aber auch nicht so lange. „Lederschuhe sind unverwüstlich.“ Über 40 verschiedene Marken verkauft „Fairtragen“, mehr als die Hälfte seien vegan, sagt Lauer. „Wir haben viele peta-zertifizierte Produkte im Angebot.“ Tendenz: steigend.

Ein fairer Friseur zu sein, bedeutet für Mangieri nicht nur, dass die Produkte so hergestellt worden sind. Sondern auch, dass sie ihre Kunden fair behandelt. Die Friseurmeisterin berechnet nach Aufwand der Leistung, Männer- oder Frauenhaarschnitte gibt es bei ihr nicht. Ein Schnitt kostet 38 Euro, 15 mit der Maschine. Ihre Kunden bezahlen es. Seit November beschäftigt sie auch eine Auszubildende. „Ich habe eine Nachfrage geschaffen“, sagt Mangieri. Bremen habe eine große vegane Community – ihr Publikum sei aber eine bunte Mischung.

Auch für Allergiker seien die Produkte im Salon geeignet, Mangieri ist selbst eine. „Ich habe das erste Mal in meinem Leben gesunde Hände.“ Ob die Farben und Pflegeprodukte die gleiche Wirkung erzielen wie herkömmliche Mittel? Ja, sagt Mangieri. „Ich hatte noch nie eine so großartige Haarqualität bei meinen Kunden.“

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