Lisa McMinn

Freie Journalistin, Hamburg

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Artikel

"Warum ich den Sohn meiner Ex-Freundin immer noch treffe"

Mindestens einmal in der Woche besucht Noah mich zum Männerabend. Wir machen zusammen Hamburger, zocken Computerspiele oder kämpfen auf dem Bett. Ich würde sagen, Noah und ich sind Freunde.

Es ist sechs Jahre her, dass Noahs Mutter mich ansprach. Ich saß vor meinem Wohnhaus auf einer Bank, und sie fragte nach einem Nachbarn, mit dem sie verabredet war. Sie stellte sich vor, ihr Name war Patricia. Ihr Shirt war ihr viel zu groß, es hing locker über ihren freien Schultern. Die braunen Haare hatte sie zusammengebunden. Ich war sofort verknallt.

Noah tapste hinter ihr her, die Hände um einen Ball geklammert. Er war damals drei Jahre alt. Ich stand auf, kickte ein bisschen mit ihm und legte dabei schützend die Hand an die Ecke einer nahen Tischtennisplatte, damit er sich nicht den Kopf stößt. Ich wollte aufpassen - aber vor allem wollte ich, dass seine Mutter sieht, dass ich achtgebe. Eine Masche. Aber es hat geklappt. Ein paar Monate später zogen Patricia und Noah bei mir ein. So wurde aus meiner ehemaligen Männer-WG ein Familiennest.

Bevor es Noah gab, war ich ein Einzelgänger

Als selbstständiger Cutter habe ich mir meine Arbeitszeiten völlig frei eingeteilt. Am kreativsten war ich nachts. Nun musste ich um sieben Uhr aufstehen, und es gab drei feste Mahlzeiten am Tag. Für mich war das eine Herausforderung. Plötzlich Vater. Patricia war alleinerziehend gewesen - zu Noahs leiblichem Vater hat sie keinen Kontakt. Ab diesem Moment fühlte ich mich für den Kleinen verantwortlich.

Aber meine Beziehung zu Patricia hielt nur drei Jahre. Ich fuhr oft auf Festivals und Konzerte, um Musikvideos zu produzieren. Meine Selbstständigkeit und unsere Beziehung passten nicht zusammen.

Noah soll sich auf mich verlassen können

Ich war dankbar, als Patricia mich nach der Trennung fragte, ob ich trotzdem eine Rolle in Noahs Leben spielen will. Denn das wollte ich. Mein eigener Vater hat meine Familie verlassen, als ich ein Kind war. Das sollte Noah nicht passieren. Auch wenn Noah nicht mein leiblicher Sohn ist - ich wollte für ihn einstehen. Noah soll sich auf mich verlassen können.

Heute nennt Noah mich ganz selbstverständlich "Papa". Ich hole ihn von der Schule ab und fahre zu ihm, wenn er mich vermisst. Dann streifen wir durch Hamburg oder ziehen uns auf dem iPad in unsere Spiele-Welt zurück.

Ich bin Noahs Papa, solange er das will

Wir tun uns gegenseitig gut. Noah gibt meinem chaotischen Alltag Stabilität. Die Entscheidung, ihn zu treffen, obwohl ich hundert andere Sachen zu tun hätte, ist immer genau die richtige. So werden ganz kleine Dinge wichtig. Welches Obst wir in den Entsafter schmeißen. Oder welches Computerspiel cool ist. Noah wird jetzt zehn, er kommt bald in die Pubertät. Natürlich habe ich Angst, irgendwann uncool zu werden. Noah wird entscheiden, welche Rolle ich in seinem Leben spielen soll. Ich bin Noahs Papa, solange er das will. So lange werde ich für ihn da sein und ihn beschützen.

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