Lisa Kuner

Freie Journalistin, Leipzig

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Artikel

Zwischen Hoffnung und Hunger: Migration aus Venezuela nach Brasilien

Einzelne Zelte am Wegrand, ein paar Nachtlager aus Pappkartons und dazwischen hunderte Menschen, die Rucksäcke, Decken oder kleine Kinder tragen - die Straßen der brasilianischen Kleinstadt Pacaraima im Bundestaat Roraima sind an einem heißen Vormittag im Oktober voll und chaotisch. Direkt hinter dem Stadtgebiet liegt die Grenze zu Venezuela. Rund 300 Menschen kommen dort täglich auf legalem Weg ins Land, dazu kommt noch eine hohe Dunkelziffer von Venezolanern und Venezolanerinnen, die über die Schmuggelrouten im Wald nach Brasilien gelangen.

Mehr als 600.000 Venezolanerinnen und Venezolaner sind seit 2017 aufgrund des politischen und ökonomischen Kollapses in ihrem Heimatland nach Brasilien migriert. Viele von ihnen sind von dort aus in andere Länder weitergezogen. Rund 280.000 Migrantinnen und Migranten aus Venezuela sind aktuell im Brasilien registriert. Internationale Schlagzeilen machte die Krise vor allem im Jahr 2018 - damals war es immer wieder zu rassistischen Anfeindungen gegenüber den Flüchtlingen gekommen. Einwohnerinnen und Einwohner von Pacaraima hatten schließlich ein Flüchtlingscamp in Brand gesetzt. Inzwischen, im Oktober 2021, hat sich die Lage etwas beruhigt.

Zu wenig Unterkünfte in Boa Vista

Nach der Grenzstadt Pacaraima ist der nächste Stopp der meisten Migrantinnen und Migranten Roraimas Hauptstadt Boa Vista. Boa Vista ist rund 200 Kilometer von der Grenze nach Venezuela entfernt, liegt aber innerhalb Brasiliens sehr abgelegen: Die nächste Großstadt Manaus ist mehr als zehn Fahrtstunden entfernt und nach Brasilia sind es sogar 3,5 Flugstunden. Keine einfache Ausganssituation für Menschen, die ihr Land verlassen mussten, und nun einen Neuanfang suchen.

„Rondonlandia" nennen viele Einwohnerinnen und Einwohner von Boa Vista, die Ansammlung von Flüchtlingscamps in einem etwas abgelegenen Viertel der Stadt. Dürftig mit Zäunen und niedrigen Mauern abgesichert, stehen dort hunderte Häuschen des UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR in der prallen Sonne. Ein riesiges Sonnensegel über dem Essensbereich spendet etwas Schatten, sonst ist das Gelände der glühenden Hitze ausgeliefert. In insgesamt 16 Unterkünften sind in Roraima rund 9.000 Menschen untergebracht - das ist allerdings nur ein Bruchteil der Menschen, die in Brasilien Schutz suchen. Einige Menschen leben darum in einer Art Zeltlager am Busbahnhof der Stadt, andere auf der Straße oder auf besetzten Grundstücken.

„Wir hatten nichts zu essen" Von Lisa Kuner
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