Noch eine schlecht designte Vortragsfolie, mittelmäßige Tonqualität und ein schlechtes Bild - Online-Arbeit bringt Herausforderungen mit sich. Richtig anspruchsvoll wird es aber, wenn es um größere Zusammenkünfte geht, denn auch viele Tagungen, Konferenzen und Messen finden seit der Pandemie im Netz statt. Während stundenlange Vorträge schon offline oft nur mit der Aussicht auf die Kaffeepause erträglich werden, sind digitale Großveranstaltungen vielen ein Graus.
Gundula Ganter arbeitet als Unternehmensberaterin und bildet auch online Trainer aus. Aus ihrer Sicht funktioniert eine Konferenz online dann, wenn vorher alles durchdacht ist: Digitale Räume müssen eingerichtet, Netzwerk- und Workshopelemente gut vorbereitet und kommuniziert werden. Eine der wichtigsten Anpassungen ist für sie das Zeitmanagement. „Die Konzentrationsspanne ist online viel kürzer", sagt sie. Ideal seien maximal zwanzig Minuten, längere Einheiten teile man am besten auf. Hinzu komme, dass man Interaktivität stärker fördern müsse. Sinnvoll sei es, wenn die Software Möglichkeiten für Breakout-Sessions in Kleingruppen biete. „Damit fördert man aktiv Austausch." Allerdings sei das „nicht intuitiv, und einige tun sich damit erst mal schwer". Gute Anleitung sei darum essentiell, um den informelleren Teil von Veranstaltungen ins Netz zu tragen. Denn zu Hause vor dem Computer kommt Smalltalk nicht so unbeschwert zustande wie in der Kaffeeschlange.
Bei technischen Pannen Ruhe bewahrenSolche Fragen beschäftigen auch Daniel Ziegler. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation in Stuttgart, wo er zur Mensch-Technik-Interaktion forscht. „Unsere Forschung zeigt bisher, dass online vor allem das gewohnte, persönliche Miteinander fehlt", sagt er. Besonders schwierig sei es, Tonfall, Mimik oder Gestik adäquat abzubilden. Eine Möglichkeit sei der verstärkte Einsatz von Emojis - im beruflichen Umfeld ist das aber gewöhnungsbedürftig. Um eine Konferenz erfolgreich zu machen, ist für Gundula Ganter technische Vorbereitung wichtig: Es gelte, Links zu checken oder Referenten zu instruieren, wie sie ihre Kamera am besten einstellen. „Bei technischen Pannen ist es wichtig, erst mal Ruhe zu bewahren", sagt sie. Aber die grundsätzlichen technischen Funktionen seien den meisten nach den vergangenen Monaten vertraut.
Kilian Ropeter hat kürzlich die jährliche Planungskonferenz einer Studierendengruppe, in der er aktiv ist, ins Netz verlagert. Neben den Inhalten war der Gruppe der soziale Faktor wichtig. Statt einer Wanderung durch den Thüringer Wald gab es Kennenlernspiele vor dem Computer. Für die Mittagspause wurden vorher Rezepte ausgetauscht und dann gekocht, so dass auch das einsame Essen noch Gemeinschaftscharakter hatte. „Das hat gut funktioniert, aber man hat auch gemerkt, dass die Motivation schnell nachgelassen hat", sagt Ropeter.
Aber nicht alles ist online schlechter: Umfragen oder die gemeinsame Notiztafel - vieles, was einen interaktiven Vortrag ausmacht, funktioniert im Netz sogar besser. Besonders beliebt sind Abstimmungstools. Sie bieten laut Ganter die Chance, dröge Vorträge aufzulockern. „Man sollte aber keine Alibi-Fragen stellen", ergänzt sie. Digitale Hilfsmittel müssten sinnvoll sein und einen Mehrwert bieten. Dabei sei weniger oft mehr: Statt viele verschiedene Effekte zu nutzen, sollte man sich auf einige wenige konzentrieren.
Die Zukunft ist womöglich eine Mischung: Die Konferenz mit Kaffeepause und Snacks, aber mit einigen digitalen Teilnehmern und einem Redner aus Übersee auf der Leinwand. „Im Moment sind hybride Lösungen aber die schlechtesten aller Möglichkeiten", sagt Ganter. Für vieles gebe es noch keine idealen Lösungen. Online Zugeschaltete seien eher Teilnehmer zweiter Klasse. Auch Daniel Ziegler sieht Luft nach oben: „Viele Online-Kollaborationsformate sind noch Eins-zu-eins-Übersetzungen von Präsenzevents." Ganter und Ziegler sind sich einig, dass hybride oder Online-Events klassische Konferenzen nicht vollständig ersetzen werden. „Es wird keine Akzeptanz für schlechtere Online-Lösungen geben", sagt Ziegler. Es sei anspruchsvoll, die Vorteile aus beiden Welten zu kombinieren. „Es wird eine Art E-Book-Effekt geben", vermutet Ganter. Dann würden Online-Events präferiert, wenn sie praktische Vorteile bieten - weil Menschen aber persönliche Begegnungen, genau wie gedruckte Bücher, sehr schätzen, werde ein Großteil wohl nach der Pandemie wieder wie gewohnt offline stattfinden.
Student Ropeter hat gemischte Erfahrungen gemacht. Er ist nicht sicher, ob es beim Online-Planungstreffen gelungen ist, alle in die Diskussion einzubeziehen. „Es kamen weniger Impulse als bei früheren Diskussionen", sagt er. Online seien viele zurückhaltender. Auch das digitale Mittagessen war komplizierter als erwartet: Manche brauchten länger als geplant, um zu kochen, andere wollten lieber eine echte Pause als vor dem Computer zu essen. Nichts gegen online - aber Ropeter findet, dass physische Treffen mehr Spaß machen. Oft wird nach Online-Veranstaltungen ein lockeres Zusammensitzen bei Getränken angeboten: Trainerin Ganter glaubt, dass dieses digitale Bier Spaß machen kann, gerade wenn sich die Gruppe schon vorher gut kenne. Sie versteht aber, wenn Menschen ihre Freizeit, nicht auch noch vor dem Bildschirm verbringen wollen.