Lisa Kuner

Freie Journalistin, Leipzig

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Artikel

Gender-Sprache: Dozierende für den Bürgerinnensaal

Die Gender-Sprache und ihre Tücken: Sternchen in Wörtern können weiterhin als Fehler angestrichen werden, das ist die Konsequenz aus einer Entscheidung des Rats für deutsche Rechtschreibung. Dass das für deutsche Hochschulen wichtig ist, liegt auf der Hand, denn hier sind Sternchen, Unterstriche oder das Binnen-I Alltag. Einigkeit darüber, wie man sich denn nun geschlechtergerecht ausdrückt - und ob das überhaupt wichtig ist -, gibt es allerdings auch hier nicht. Ein Überblick:

An den Unis hierzulande werde „überwiegend gefordert, zumindest die weibliche und männliche Form oder geschlechtsneutrale Begriffe zu verwenden - oder es ist in Satzungen und Verwaltungsregularien bereits verankert", sagt Gabriele Jähnert, Geschäftsführerin des Zentrums für transdisziplinäre Geschlechterstudien an der Humboldt-Universität in Berlin. Obwohl das Bewusstsein für Fragen der Geschlechtergerechtigkeit und Chancengleichheit an Unis gewachsen sei, sei das Bewusstsein für geschlechtergerechte Sprache noch recht gering entwickelt. Dem stimmt auch Xenia Hartmann zu, die sich im Asta (Allgemeiner Studierendenausschuss) des Karlsruher Instituts für Technologie für Chancengleichheit einsetzt. „Für uns als Studierendenschaft ist klar, dass wir geschlechtergerechte Sprache benutzen wollen - aber nicht, wie wir das am besten umsetzten." Zeitweise habe man versucht, nur die weibliche Form zu verwenden, aber gerade werden meist neutrale Begriffe wie zum Beispiel „Dozierende" bevorzugt.

An Gegenargumenten mangelt es ohnehin nicht: Sternchen im Wort seien schlecht lesbar, das generische Maskulinum sei angemessen, seit langem vertraut und verständlich. Diese Standpunkte gibt es nicht nur in traditionell gender-skeptischen Kreisen, sondern auch an den Hochschulen selbst. An der Goethe-Universität in Frankfurt zum Beispiel gab es schon Fälle, in denen gegenderte Texte als „falsch" oder „unwissenschaftlich" eingestuft wurden, erzählt Fatma Keser, die Feminismusbeauftragte des Asta.

Viel Kritik und sogar Verbote

Gender-Sprache falsch oder unwissenschaftlich zu nennen ist eine vergleichsweise harmlose Kritik. Mitunter wird sie behandelt wie der Staatsfeind Nummer eins: Es gebe Wichtigeres als Geschlechtergerechtigkeit in der Sprache, heißt es dann, man solle sich stattdessen um die richtigen Probleme der Welt kümmern. „Gender Mainstreaming" sei geradezu Gehirnwäsche. In Ungarn soll Geschlechterforschung verboten werden, und auch in der AfD wird einer Abschaffung das Wort geredet. Es gibt Internetforen, die diesen Forschungszweig systematisch diskreditieren, einer der Auswüchse ist ein sogenanntes „Gender-Trash-Ranking", das angehende Studenten vor einigen deutschen Universitäten warnt.

Der Streit darüber, was Sprache abbildet und wie sie wirkt, ist zum Kulturkampf geworden. Dafür bedurfte es noch nicht mal besonders polarisierender Beispiele wie jenes von Lann Hornscheidt. Die, geboren als Antje Hornscheidt, hatte eine Professur für Gender Studies und Sprachanalyse am Zentrum für transdisziplinäre Geschlechterstudien an der Humboldt-Universität Berlin inne und in dieser Funktion darum gebeten, geschlechtsneutral bezeichnet zu werden: und zwar als „Profx" statt Professor oder Professorin. An den Hochschulen ist die Sensibilität für das Thema unabhängig von solchen Beispielen groß: So gut wie nirgends wird mehr eine Satzung oder Mitteilung veröffentlicht, ohne sich zuvor Gedanken über die Wirkung von Sprache zu machen. „Es gibt ein generelles Verständnis dafür", sagt Gabriele Jähnert. „Aber nicht immer wird daraus eine Handlungsnotwendigkeit abgeleitet."

An den Universitäten hat die Beschäftigung mit angemessener Sprache mitunter ganz praktische Konsequenzen: In Mannheim etwa wurde mal ein gestifteter Hörsaal vom Bürgersaal kurzerhand zum Bürgerinnensaal. Die Begründung: Es hätten schließlich auch Frauen gespendet. Außerdem wird dort diskutiert, ob Männer- und Frauentoiletten abgeschafft und durch Unisex-Klos ersetzt werden sollten. Auch in Frankfurt gab es in diese Richtung immer wieder Bestrebungen. Gabriele Jähnert von der Berliner Humboldt-Uni kann ebenfalls ein Beispiel beisteuern: Sie hatte sich mit anderen Wissenschaftlern mal auf eine Förderung beworben und diese auch erhalten - sie sind jetzt aber eine „Forschungsgruppe" und keine „Forschergruppe". Xenia Hartmann wiederum setzt sich am KIT in Karlsruhe derzeit dafür ein, dass alle ihren Studentenausweis mit dem Vornamen ausgestellt bekommen, den sie benutzen. Das sei vor allem Studierenden, die „trans" sind ein Anliegen.

Die Forschung ist umstritten

Gleichzeitig wird zu dem Thema viel geforscht: Rund 150 Professuren aus ungefähr 30 Disziplinen beschäftigen sich in Deutschland mit Geschlechterforschung. Viele davon sind in der Soziologie angesiedelt. Auch wenn die Zahl zunächst hoch klingt, macht das insgesamt noch nicht mal 0,5 Prozent aller Professuren aus. Manche sind auch Teilprofessuren, viele befristet. Mehrheitlich sind die Stellen von Frauen besetzt, es gibt aber auch eine Handvoll Männer. Genderforschung wird aber häufig nicht ernst genommen, selbst empirische Studien werden belächelt. Teilweise gibt es auch wütende Reaktionen. „Das ärgert mich, weil da immer das Bild entsteht, Genderforschung wäre weniger wert als zum Beispiel naturwissenschaftliche Forschung", sagt Xenia Hartmann. Sie habe noch nie erlebt, dass jemand Erkenntnisse aus den Naturwissenschaften so massiv anzweifle, wie das bei der Genderforschung passiere.

Vielen Studenten ist klar, dass solche Diskussionen hauptsächlich an der Universität stattfinden. Leon Brülke, der in Mannheim Politikwissenschaft studiert, hört in Einführungsveranstaltungen trotzdem auch noch die Frage, was denn Gendern überhaupt sei. Selbst hier also, wo Offenheit und Neugierde eigentlich zu Hause sein sollten, bleibt der eine oder andere lieber auf Abstand.

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