Lisa Brüßler

Journalistin. Print, Online & Social, Berlin

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In Holzschuhen zum Bauernprotest nach Berlin

Göttingen. Auf seinem Protestmarsch vom Waldecker Upland nach Berlin machte der Biobauer Otto Schönweis Station in Göttingen.


Der Usselner will ein Zeichen setzen gegen Missstände in der Agrarpolitik. Innerhalb von zehn Tagen legt der 59-Jährige die 460 Kilometer zum Bauerprotest vor dem Berliner Kanzleramt zu Fuß zurück.

Das sind 15 bis 20 Stunden täglich, die der Milchbauer in Holzschuhen läuft. Er übernachtet in einer umgebauten Kälberbox, die er hinter sich her zieht. „Ich setze mich für eine nachhaltige Landwirtschaft und gegen die Agrarindustrie, Massentierhaltung und Gentechnik ein", sagte er bei seiner Rast am Gänseliesel. „Das geht aber nur, wenn die Verbraucher darauf achten, wo die Produkte herkommen und dann einen Euro mehr anlegen."


Seit 8. Januar ist Schönweis unterwegs – gut 360 Kilometer liegen noch vor ihm. In seiner 150 Kilogramm schweren Kälberbox hat er neben Schlafsack, Proviant und Milch auch vier Paar verschiedene Holzschuhe: „Vor dreißig Jahren habe ich das erste Paar geschenkt bekommen und gemerkt, dass die im Winter gut warm halten", erzählt der Bauer. Auch auf der Weide und im Stall trägt er sein Markenzeichen. Trotz etlicher Blasen kann er in ihnen noch weiter gehen.


„Otto konnte nicht weg von seinem Hof und den 60 Milchkühen, aber jetzt vertreten ihn sein Sohn und seine Frau in den elf Tagen. Das ist für ihn, der so ein lustiger Mensch ist und seine Arbeit liebt, eine schöne Möglichkeit direkt mit den Menschen sprechen zu können", sagt Josef Jacobi, Mitgründer der Upländer Bauernmolkerei. Er begleitet Schönweis' Marsch teilweise mit dem Auto.


Die Route führt von der nur von Bauern betriebenen Molkerei im nordhessischen Willingen-Usseln über Göttingen und Magdeburg nach Berlin zu einer Demo, die während der Grünen Woche stattfindet. Am 17. Januar wollen bis zu 25.000 Menschen vor dem Kanzleramt protestieren.


Auf seinem langen Weg nach Berlin vertreibt sich der 59-Jährige die Zeit mit Gedichten rund um die Landwirtschaft. Sein Lieblingsgedicht vom „Alten Sack" - vorgetragen in waldeckischen Dialekt - handelt von ihm selbst, der trotz gesundheitlichen Hindernissen noch genug Kraft hat, sich für eine faire Landwirtschaft einzusetzen. 


Auf der Strecke helfen ihm auch mal Interessierte beim Ziehen der 150 Kilo schweren Kälberbox oder trocknen seine nasse Kleidung. „Und wenn ich die Strecke doch nicht ganz schaffen sollte", kündigte der lebensfrohe Bauer an, „nimmt mich ein befreundeter Bauer ab Brandenburg mit dem Tieflader mit, damit ich noch pünktlich zur Demo komme."

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