Robert Schneiders Roman „Schlafes Bruder" gab die Anregung zum ersten Orgel- Slam in Göttingen. In dem Roman treten junge Musiker an der Orgel im Dom der fiktiven Stadt Feldberg gegeneinander an. In Göttingen sind es Studierende, die auf der Barockorgel der St. Johanniskirche über einen Choral improvisieren, der ihnen zwei Wochen vorher genannt wurde. Am Ende entscheidet - wie beim Poetry-Slam - das Publikum über den Sieger. Lisa Brüßler war dabei, beim musikalischen Improvisationswettstreit.
Die beiden Organisten: Matthias Steinmetz (vorne) und Julius Ruben Napp (Bild: Lisa Brüßler)
Blick in die St. Johanniskirche (Bild: Lisa Brüßler)
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Konzentriert sitzt Julius Ruben Napp an der großen Barockorgel der St. Johanniskirche in Göttingen. Seine Füße fliegen über die Pedale, die Hände wechseln zwischen den vier Manualen und ziehen nebenbei Register für die Farben der Orgel. Julius ist einer der beiden Teilnehmer des ersten Göttinger Orgelslams. Die Kirche ist ganz in bunte Lichter getaucht, das Publikum sieht die Organisten per Kameraübertragung auf einer Leinwand spielen. Die Botschaft: Das hier ist kein normales Konzert und die Orgel ist gar nicht so verstaubt wie ihr Image, erzählt der 19-Jährige Julius Ruben Napp.
O-Ton 1, Julius Ruben Napp, 26 Sekunden
„Die meisten Kirchen sind recht alt, die meisten Orgeln sind recht alt, die Orgelliteratur, die am beliebtesten ist und am geläufigsten, ist halt auch schon recht alt und nicht sehr modern gestaltet, etwas steif alles und so ist auch das Orgelspiel meistens. Mir war das früher in der Kirche immer recht langweilig, und dann bin ich hoch zur Orgel und musikalisch war ich schon immer so ein bisschen und ja dann hab mich rangetastet und hab mir dann eine Orgel ersteigert und so mir das dann selber beigetüftelt, dass das so geklappt hat."
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Peter Paul König, der Leiter der Katholischen Hochschulgruppe saß zusammen mit Studenten im Wohnheim und überlegte, wie man die Orgel interessant machen kann. Herausgekommen ist ein Orgelwettbewerb, an dem das Publikum teilhaben kann. In drei Runden vergibt es jeweils drei Punkte für die beiden angetretenen Organisten. Die erste Runde: Eine Improvisation über den Choral „Komm o Tod du Schlafes Bruder" von Johann Sebastian Bach. In der zweiten Disziplin trugen die Organisten ein Wahlstück aus der Orgelliteratur vor und in der dritten Kategorie wählte das Publikum zwei Lieder aus dem Evangelischen Gesangsbuch, die die beiden Musiker spontan zum Gesang des Publikums spielen mussten. Keine leichte Aufgabe, erzählt Teilnehmer Matthias Steinmetz.
O-Ton 2, Matthias Steinmetz, 29 Sekunden
„Für mich war am schwierigsten die Improvisation, weil ich eher so der bin, der viel Literaturorgelwerke spielt und ja, das war für mich auch relativ neu, das mach ich eigentlich fast gar nicht. Genau, ich spiele auch hier in der Kirche immer - das ist eben eine mechanische Orgel und zwar hat die keinerlei Setzeranlagen oder Spielhilfen und das macht es dann im Spiel relativ schwierig Register zu ziehen. Aber trotzdem ist sie halt einzigartig in ihrem Klangbild und deswegen fasziniert mich diese Orgel sehr."
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Die Lieder „Wie schön leuchtet der Morgenstern" und „Von guten Mächten" bereiteten den Organisten keine Schwierigkeiten. Herausforderung war vielmehr die Improvisation, für die Organisator Peter Paul König Mühe hatte Teilnehmer zu gewinnen. Aber auch mit nur zwei Teilnehmern war die gut gefüllte Kirche begeistert, dass das anonyme Orgelspiel eine angemessene Bühne bekommen hatte.
O-Ton 3, Peter Paul König, 20 Sekunden
„Ich glaube, das kann ich schon sagen, dass wir es noch mal machen werden, wir werden es noch mal probieren. Und wenn sich dann von mir aus fünf melden, dann muss man es eben anders machen. Aber die Idee ein etwas altertümliches Instrument für viele nochmal anders kennen zu lernen, ist glaube ich eine gute Idee und da werden wir dran bleiben."
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Sieger der Improvisation und Publikumsbegleitung wurde Julius Ruben Napp. Meister des Orgelliteraturspiels ist aber Agrarwissenschafts-Student Matthias Steinmetz. Der 23-Jährige spielt bereits seit seinem sechstem Lebensjahr Klavier und seit acht Jahren Orgel.