Lisa Berins

Journalistin, Kulturredakteurin, Frankfurt und Offenbach

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Harte Zeiten für den Humor

Witze über Corona sind ein sensibles Gebiet - Der Comedian Dieter Nuhr überzeugt nicht alle mit seinem fragwürdigen Humor.© Jörg Carstensen/dpa

Humor gilt ja als Wunderwaffe: Er kann Gefahren klein machen und Herrscher lächerlich, er kann Ängste bekämpfen und dem Bedrohlichen seine Macht nehmen. Das Coronavirus, das sich wie ein Diktator in unsere Welt geputscht hat und das unser Leben auf den Kopf stellt, ist da eigentlich ein prädestinierter Widersacher - eine perfekte Vorlage für Comedians wie Dieter Nuhr.


Allerdings geht gerade beim Thema „Humor und Corona" einiges in die Hose. In den sozialen Medien toben Shitstorms; im Fokus stehen Kabarettisten, deren Äußerungen sich so anhören, als kämen sie aus dem Mund von Wutbürgern, Anti-Corona-Demonstranten oder „Widerstand 2020"-Mitgliedern. Schleicht sich da eine gefährliche Denkweise bei Dieter Nuhr und in die Comedyszene ein? Müssen wir jetzt auch noch vor dem Humor Angst haben - oder verlieren wir vor lauter Angst unseren Humor?


Auf dem Gipfel der Aufregung steht Dieter Nuhr - wieder mal. In letzter Zeit ätzt der Kabarettist mit Vorliebe über vermeintliche Überreaktionen in Corona-Zeiten, über zu weitreichende Beschränkungen oder die Sinnlosigkeit des Tragens vom Mund-Nase-Schutz. Vor Kurzem stellte er die Vermutung an, dass „Frau Merkel ja offenbar diesem Herrn Drosten verfallen" sei.


„Ist dieser Drosten noch ihr virologischer Berater? Oder ist sie ihm inzwischen schon hörig?", fragt Dieter Nuhr in einem Video, das in den sozialen Medien herumging. Spekulationen und polemische Kommentare über eine mögliche politische Haltung Nuhrs zu Corona folgten: „Dieter sitzt offenbar regelmäßig in Kneipen neben Pegida-Stammtischen und kopiert die Sprüche dort ungekürzt in sein Programm", vermutete ein Twitter-User.


Nicht nur Dieter Nuhr, auch die bayerische Kabarettistin Monika Gruber trifft die Kritik. Auf Facebook veröffentlichte sie kürzlich ein Video, in dem sie sagt: „Ich habe gestern einen Spruch im Radio gehört von der Weltgesundheitsorganisation WHO: ,Bitte helfen Sie mit, die Menschheit zu retten, indem Sie sich möglichst weit von ihr fernhalten.' Der Spruch ist ungefähr der dümmste seit ,Geiz ist geil'."


Dumm seien auch das Maskentragen zum Schutz vor Corona* und das Vorhalten eines ungewaschenen Schals als Maskenersatz. „Und der soll dann gegen Viren helfen. Das ist, als würdest du bei der Verhütung sagen: Du, Kondome, gäh, nimmst doch einfach die Wursthaut, wennst beim Weißwurstessen fertig bist." Zum Ende des Videos legt sie nach: „Bitte: Corona hin, Pandemie her, Denken nicht vergessen!"


Hoppla! Wie soll man damit umgehen, wenn sich Kabarettisten wie Dieter Nuhr und Monika Gruber in Wortwahl, Logik und Argumentation verdächtig nach Aluhutträger-Denke anhört? Wenn die Glaubwürdigkeit von Wissenschaft infrage gestellt, eine Art Corona-Komplott vermutet oder nahegelegt wird, dass die Bürger in Unwissenheit gehalten und ihnen ohne hinreichende Erklärung Freiheiten geraubt würden... Wird da unter dem Deckmantel der Ironie Meinungsmache betrieben?


Dass das nicht so ist, davon ist Martina Keiffenheim überzeugt. Seit fast einem Jahr ist sie Leiterin des Deutschen Kabarettarchivs mit Sitz in Mainz. „Wir beobachten, was sich in der Kabarett- und Comedyszene abspielt, und da gibt es keine bedrohlichen Entwicklungen." Corona-Satire wie die von Dieter Nuhr bediene sich der Verfremdung, der Übertreibung und Provokation. Sie gehe aus von einer scheinbaren Realität, greife sich ein Bezugsobjekt heraus und kreiere daraus etwas Boshaftes bis Bitterböses, Tiefschwarzes und Mehrdeutiges.


„Man darf das natürlich nicht für bare Münze nehmen", sagt Keiffenheim. „Was Dieter Nuhr zum Beispiel auf der Bühne bringt, ist ja nicht eins zu eins seine eigene Meinung." Satire darf in Deutschland fast alles, das hat zuletzt das Böhmermann-Urteil gezeigt. Dass nicht alle über den gleichen Witz lachen, führte der Rechtsstreit auch noch mal vor Augen.

Passt die Corona-Satire von Dieter Nuhr zu so einem ersten Thema?

Im Falle der Corona-Satire ist es durchaus nachvollziehbar, dass Äußerungen wie die von Dieter Nuhr und Monica Gruber als abgeschmackt verurteilt werden: Es geht bei Corona immerhin um Leben und Tod. Und da liegt auch in der Comedyszene manchmal der Verdacht nahe, dass da wer den Schuss nicht gehört haben könnte. Kabarettistsein schützt nun mal nicht vor sonderbaren Einstellungen, wie jüngst bei Mathias Richling in der Talkrunde bei „Maischberger" zu beobachten war.Dort zog Richling über das Robert-Koch-Institut her, irritierte mit Vergleichen zwischen Corona-Pandemie, Influenza und einem Erdbebenszenario. Da hofft man nur, dass diese Ansichten nicht auf die Kabarettbühne kommen.


Corona bedeutet harte Zeiten für den Humor. Er trifft auf eine gereizte Stimmung, auf wirre, auf gefährliche gesellschaftliche Entwicklungen und emotional geführte Diskussionen, vor allem in den sozialen Medien. Alle möglichen Gruppierungen wittern die Chance, das für sich zu instrumentalisieren. Für Kabarettisten wie Dieter Nuhr ist es ein Tanz auf dem Vulkan.

„Der Humorbegriff verschiebt sich", glaubt Keiffenheim. Satiriker wollten sich von gesellschaftlichen Tendenzen nach wie vor nicht blind mitreißen lassen - und nun ist's so: Schwupps, stehen sie dort, wo die Gegentendenz heranwächst.


Was können wir jetzt tun, wir, die souveränen, denkenden Menschen dieses Landes, um den Humor zu retten? Vielleicht mit der Wursthaut auf dem Kopf um den Tisch tanzen? Bessere Lösung: in den Müll mit der Pelle und hinter der Mund-Nasen-Maske in schallendes Gelächter ausbrechen. Wie peinlich, wenn man als Kabarettist so einen Dünnpfiff abgibt!

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